Wurde der Sabbat im Neuen Testament geändert?

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Wurde der Sabbat im Neuen Testament geändert?

„So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut“ (Römer 7,12).

Wir haben gesehen, daß Jesus Christus Gottes Sabbat nicht veränderte. Im Gegenteil: Jesus hielt den Sabbat. Er zeigte den wahren Zweck und die wahre Absicht des Sabbats. Jesus zeigte oft, daß der Sabbat und im besonderen seine Lehren und Handlungen an diesem Tag Vorboten des bevorstehenden messianischen Zeitalters als eine Zeit der Heilung, der Freiheit und der Wiederherstellung für die ganze Menschheit waren.

Zur Zeit seines Todes hielten Jesu Jünger offensichtlich den Sabbat: Sie warteten, bis er vorüber war, bevor sie Jesu Leichnam zum Begräbnis vorbereiteten (Matthäus 28,1; Markus 16,1-2; Lukas 23,56; 24,1). Fünfzig Tage nach der Auferstehung Christi versammelten sich viele zu Pfingsten an einem der sieben Jahressabbate oder -feste (3. Mose 23,1-44), die zusätzlich zum wöchentlichen Sabbat gehalten wurden. An jenem Pfingsttag wurde die neutestamentliche Kirche durch die Ausgießung des heiligen Geistes gegründet (Apostelgeschichte 2,1-4). Wir stellen keine Veränderung durch Jesu Tod und Auferstehung fest; wir stellen aber eine Fortsetzung der Sabbatheiligung durch Jesu Jünger fest, genauso wie Christus es getan hatte.

Wenn der Sabbat oder irgendein Teil des Gesetzes Gottes in der frühen neutestamentlichen Kirche abgeschafft oder verändert worden wären, müßte es klare Beweise einer solchen Veränderung in den Schriften des Neuen Testamentes geben. Schließlich wurden die Bücher des Neuen Testamentes im ersten Jahrhundert über eine Zeitspanne von Jahrzehnten geschrieben,die in den 90er Jahren endeten — mehr als 60 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu.

Schaffte Paulus den Sabbat ab?

Viele, die für die Abschaffung des Sabbats im Neuen Testament argumentieren, berufen sich auf die Schriften des Apostels Paulus, um ihre Meinung zu rechtfertigen. Aber ist dies richtig? Drei Abschnitte werden gewöhnlich angeführt, um diese Behauptung zu untermauern: Römer 14,5-6; Kolosser 2,16-17 und Galater 4,9-10.

Ein grundlegendes Prinzip zum Verständnis der Bibel ist die Analyse eines jeden Verses im Zusammenhang, sowohl im unmittelbaren Zusammenhang mit dem behandelten Thema als auch im übergeordneten Zusammenhang der gesellschaftlichen und geschichtlichen Situation, die den Autor und seine Leser zu jener Zeit beeinflußte. Untersuchen wir nun jeden dieser Verse im Zusammenhang, um zu sehen, ob Paulus tatsächlich die Sabbatheiligung abschaffte.

Beachten wir zunächst Paulus’ eigene Aussagen zum Gesetz Gottes. Mehr als 25 Jahre nach dem Tod Jesu Christi schrieb er in Römer 7,Vers 12: „So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut.“ In Römer 2,Vers 13 stellte er fest: „Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz hören, sondern die das Gesetz tun, werden gerecht sein.“ In Römer 7, Vers 22 sagte er: ,,Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.“

Viele nehmen an, daß es nicht mehr länger notwendig ist, das Gesetz zu halten, wenn wir erst einmal Glauben an Jesus Christus haben. Paulus selbst behandelte dieses Konzept in Römer 3, Vers 31: „Wie? Heben wir denn das Gesetz auf [griechisch katargeo mit der Bedeutung ,zerstören‘ oder ,abschaffen‘] durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf [griechisch histemi mit der Bedeutung ,errichten‘ oder ,stehend machen‘].“ Der Glaube schafft das Gesetz nicht ab, schrieb Paulus; der Glaube richtet das Gesetz auf und erhält es aufrecht.

In Apostelgeschichte 24 verteidigte er sich vor dem römischen Statthalter Felix gegen Anschuldigungen der Aufwiegelung und des Hochverrats, die von den religiösen Führern der Juden gemacht wurden. In seiner Verteidigungsrede gegen die Anschuldigungen sagte er: „Ich [diene] dem Gott meiner Väter so ..., daß ich allem glaube, was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten“ (Vers 14).

Zwei Jahre später verteidigte er sich erneut vor einem anderen römischen Statthalter, Festus, gegen dieselben Anschuldigungen. Paulus hatte sich „weder gegen das Gesetz der Juden noch am Tempel noch am Kaiser versündigt“ (Apostelgeschichte 25,8). Etwa 25 bis 30 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi schrieb Paulus, daß er allem glaubte, „was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten“ (Begriffe, mit denen das Alte Testament gemeint ist), und nichts gegen das Gesetz getan hatte!

Angesichts dieser klaren Aussagen würden wir ebenso klare Aussagen bezüglich der Abschaffung des Sabbats erwarten, wenn dies dem Verständnis des Apostels Paulus entsprochen hätte. Finden wir aber solche Aussagen?

Römer 14,5-6: Sind alle Tage der Anbetung gleich?

In Römer 14, Verse 5-6 schrieb Paulus: „Der eine hält einen Tag für höher als den andern; der andere aber hält alle Tage für gleich. Ein jeder sei in seiner Meinung gewiß. Wer auf den Tag achtet, der tut’s im Blick auf den Herrn; wer ißt, der ißt im Blick auf den Herrn, denn er dankt Gott; und wer nicht ißt, der ißt im Blick auf den Herrn nicht und dankt Gott auch.“

Nach dieser Aussage könnte es manchen so erscheinen, als ob Paulus sagen würde, daß der Wochentag, den man zur Ruhe und Anbetung auswählt, unwichtig ist. Damit wäre es unerheblich, welchen Tag man wählt, solange man „in seiner Meinung gewiß“ ist und den Tag „im Blick auf den Herrn“ achtet. Bedeutet dies, daß der Sabbat nicht anders ist als jeder andere Tag oder daß wir frei sind, den Tag selbst zu bestimmen, den wir halten wollen?

Um zu diesem Schluß zu gelangen, muß man den Sabbat in den Vers hineinlesen, denn er wird hier nirgends erwähnt. In der Tat kommt das Wort Sabbat in dieser Epistel gar nicht vor, noch wird das Sabbathalten erwähnt. In diesen Versen werden einfach Tage erwähnt, nicht der Sabbat oder irgendein anderer von Gott verordneter Tag der Ruhe und der Anbetung.

Beachten wir, daß Paulus an einer früheren Stelle in diesem Brief gesagt hatte, daß das Gesetz „heilig“ und das Gebot „heilig, gerecht und gut“ ist (Römer 7,12); daß die, „die das Gesetz tun“, gerecht sein werden (Römer 2,13) und daß er „Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen“ hatte (Römer 7,22). Wenn er nun in diesen fraglichen Versen in Römer 14 sagen würde, daß die Sabbatheiligung unwichtig wäre, so wären diese Aussagen gegenüber seinen anderen Aussagen in diesem Brief widersprüchlich.

Welche Tage behandelte Paulus?

Welche Tage sind es, die Paulus hier anspricht? Um dies herauszufinden, müssen wir den Zusammenhang ansehen. Paulus schrieb an eine gemischte Gemeinde von jüdischen und heidnischen Christen in Rom. In den Versen 2 und 3 behandelte Paulus den Vegetarismus („wer aber schwach ist, der ißt kein Fleisch“) und setzte dieses Thema in Vers 6 fort („wer ißt ... und wer nicht ißt“).

Der fragliche Abschnitt bezüglich bestimmter Tage findet sich in den Versen 5 und 6, unmittelbar zwischen der Behandlung der Themen Fleischessen und Vegetarismus in den Versen 2, 3 und 6. Es gibt keine biblische Verbindung zwischen der Heiligung des Sabbats und dem Vegetarismus. Daher, wenn man annehmen will, daß sich Paulus hier auf den Sabbat bezog, müßten diese Verse aus dem Zusammenhang gerissen werden.

„Der enge Zusammenhang mit dem Essen deutet an, daß Paulus einen besonderen Tag im Sinn hat, der dem Fasten oder einem festlichen Essen gewidmet ist“ (Everett F. Harrison, The Expositor’s Bible Commentary, Band 10, Seite 146). Es ist offensichtlich, daß Paulus römische oder andere besondere Tage meinte, an denen das festliche Essen, das Fasten oder das sich Enthalten bestimmter Speisen praktiziert wurde.

Der Zusammenhang zeigt uns, daß einige Mitglieder der dortigen Gemeinde Fleisch aßen, während sich andere des Fleischessens enthielten. Die Vegetarier waren wahrscheinlich Christen, die sich davor fürchteten, Fleisch zu essen, das Götzen geopfert worden war: „Weil aber immer die Möglichkeit bestand, daß das Fleisch aus dem Tempel kam, also Götzenopfern diente ..., konnten manche sich zur Sicherheit mit Gemüse begnügen ...“ (Dieter Zeller, „Der Brief an die Römer“, Regensburger Neues Testament, 1985, Seite 224).

In 1. Korinther 8 behandelte Paulus den Verzehr von Fleisch, das wahrscheinlich Götzen geopfert worden war und deshalb von manchen Christen als für den Verzehr ungeeignet betrachtet wurde. In jenem Kapitel war der Standpunkt des Paulus der, daß jegliche Verbindung von Nahrung mit Götzendienst keinen Einfluß darauf hatte, ob man diese Nahrung essen durfte.

Es scheint wahrscheinlich, daß Paulus dasselbe Thema in beiden Gemeinden behandelte, nämlich ob Christen Fleisch meiden sollten, das mit Götzendienst in Verbindung gebracht worden war. Dies mag durch Paulus’ Erwähnung von ,,unreinem‘‘ Fleisch in Römer 14, Vers 14 gemeint sein. Statt das griechische Wort zu benutzen, mit dem die nach dem Alten Testament unreinen bzw. verbotenen Speisen beschrieben wurden, benutzte Paulus ein Wort, das ,,gemein‘‘ oder ,,entheiligt‘‘ bedeutete, das für die Beschreibung von Fleisch, das Götzen geopfert worden war, angebracht wäre.

Der Rat des Paulus in 1. Korinther 8 war derselbe wie in Römer 14, Vers 15: Seid besonders vorsichtig, keinen Gläubigen zu kränken, da er sonst wegen des Fleisches stolpern oder den Glauben gar verleugnen könnte. Klar ist, daß manche Christen zu Rom aus dem Grund kein Fleisch aßen, weil sie bestimmte Tage hielten.

In keiner Weise bezieht sich dieser Abschnitt auf das Halten des Sabbats, denn Gottes Sabbat ist ein „Fest“ (3. Mose 23,1-3) und nicht ein Tag, an dem man sich des Fleisches enthalten muß. An keiner Stelle erwähnt Paulus den Sabbat in seinem Brief an die Römer; davon handelt dieser Brief nicht. Die hier erwähnten Tage haben offensichtlich mit der Enthaltsamkeit von Fleisch zu tun, womit auf römische oder sonstige Bräuche und nicht auf von Gott verordnete Tage der Anbetung hingewiesen wird.

Galater 4,9-10: Ist der Sabbat Knechtschaft?

Galater 4, Verse 9-10 ist eine weitere Stelle, in der manche eine Verurteilung der Sabbatheiligung erkennen wollen. In diesen Versen schrieb Paulus: „Nachdem ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie wendet ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von neuem dienen wollt? Ihr haltet bestimmte Tage ein und Monate und Zeiten und Jahre.“

Diejenigen, die gegen das Halten des Sabbats argumentieren, sehen die „Tage und Monate und Zeiten und Jahre“ als Hinweis auf den Sabbat, die biblischen Feste und die Sabbat- und Jubeljahre, die im Alten Testament von Gott verordnet wurden (3. Mose 23,25). Sie betrachten diese von Gott verordneten Einrichtungen als schwache und dürftige Mächte, denen sich die Galater wieder zuwendeten und dienten, wodurch sie in Knechtschaft gerieten (Vers 9).

Ist dies die von Paulus beabsichtigte Bedeutung? Bei der Auslegung dieser Verse im Sinne einer Ablehnung des Sabbats gibt es ein offensichtliches Problem. Wie in Römer 14 wird der Sabbat hier überhaupt nicht erwähnt. Der Begriff „Sabbat“, „Sabbate“ oder sinnverwandte Wörter erscheinen an keiner Stelle in dieser Epistel.

Um gegen das Halten des Sabbats zu argumentieren, nehmen manche an, daß die in Galater 4,Vers 10 erwähnten „Jahre“ die in 3. Mose 23 und 25 beschriebenen Sabbat- und Jubeljahre sind. Das Jubeljahr wurde jedoch nirgends zu Paulus’Lebzeiten gehalten, und das Sabbatjahr wurde nicht außerhalb Palästinas gehalten (Encyclopedia Judaica, Band 14, Seite 582, und Jewish Encyclopedia, Seite 666, Stichwort „Sabbatical Year and Jubilee“). Da Galatien in Kleinasien lag — von Palästina weit entfernt —, ist der Schluß unlogisch, daß Paulus sich auf die Sabbat-und Jubeljahre bezogen haben könnte.

Die von Paulus benutzten griechischen Wörter für „Tage ... und Monate und Zeiten und Jahre“ werden im ganzen Neuen Testament für die Beschreibung normaler, ziviler Zeitspannen verwendet. Sie sind gänzlich anders als die präzisen Bezeichnungen, die Paulus in Kolosser 2, Vers 16 benutzte, mit denen die in der Bibel gegebenen Sabbate und Feste gemeint sind. Er benutzte genaue Bezeichnungen für biblische Feiern im Kolosserbrief, benutzte aber ganz andere griechische Wörter im Galaterbrief — ein klarer Hinweis, daß er ein gänzlich anderes Thema behandelte.

Um zu verstehen, was Paulus meinte, müssen wir sowohl den historischen als auch den unmittelbaren Zusammenhang dieser Verse untersuchen. Die Gemeinden in Galatien setzten sich hauptsächlich aus Christen mit einem heidnischen bzw. einem nichtjüdischen Hintergrund zusammen. Paulus stellte klar fest, daß sie körperlich unbeschnitten waren (Galater 5,2; 6,12-13). Also können sie keine Juden gewesen sein.

Die Galater konnten sich dem nicht wieder zuwenden, was sie nicht gehalten hatten

Dieser Hintergrund ist zum Verständnis dieses kontroversen Abschnitts wichtig. In Galater 4, Verse 9-10 sagte Paulus, daß sich die Galater „wieder den schwachen und dürftigen Mächten“ zuwendeten, die „bestimmte Tage ... und Monate und Zeiten und Jahre“ beinhalteten. Da die Leser des Paulus von einem heidnischen Hintergrund gekommen waren, ist es schwer zu verstehen, wie die „Tage ... und Monate und Zeiten und Jahre“, denen sie sich wieder zuwendeten, der Sabbat und die anderen biblischen Feste sein konnten — sie konnten sich dem nicht wieder zuwenden, was sie vorher nicht gehalten hatten.

Der unmittelbare Zusammenhang macht dies sogar noch klarer. In Vers 8 schrieb Paulus: „Aber zu der Zeit, als ihr Gott noch nicht kanntet, dientet ihr denen, die in Wahrheit nicht Götter sind.“ Paulus „denkt wieder an die Naturmächte, die Weltelemente, denen die Heiden göttliche Verehrung leisten“ (Gerhard Schneider, „Der Brief an die Galater“, Geistliche Schriftlesung,Band 9, 1968, Seite 101).

Biblische Praktiken sind nicht gemeint Ist es möglich, daß diese „schwachen und dürftigen Mächte“, denen sie sich wieder zuwendeten (Vers 9), Gottes Gesetze, Sabbate und Feste waren? Das hier mit „Mächten“ übersetzte Wort heißt im Griechischen stoicheia, dasselbe Wort, das in Vers 3 ebenfalls „Mächte“ heißt. Dort erklärte Paulus seinen Lesern, daß sie einst „in der Knechtschaft der Mächte der Welt“ gewesen seien. Um dieses Wort in Vers 9 auf Gottes Gesetz zu beziehen, müßte es auch Gottes Gesetz in Vers 3 bedeuten, da dasselbe griechische Wort stoicheia benutzt wird.

Die Behauptung, daß sich Vers 3 auf das biblische Gesetz bezieht, läßt sich nicht stützen:

„In diesem Fall gibt es zwei weitere Schwierigkeiten: 1.) Es scheint sich nicht auf die Heiden zu beziehen, da die Schwierigkeit der Heiden nicht die ist, daß sie in der Vergangenheit unter dem Gesetz waren ..., und 2.) es erklärt nicht, warum oder wie Paulus den Zusatz ,der Welt‘ dem Begriff stoicheia hinzufügen konnte. Jüdisches Gedankengut würde die außerirdische Beschaffenheit des Gesetzes als Resultat seines göttlichen Ursprungs betonen ... Zu Paulus’Zeiten scheint diese sehr frühe und primitive Überzeugung dahingehend erweitert worden zu sein, daß sich stoicheia auch auf die Sonne, den Mond und die Sterne bezog — wobei diese alle Sinnbilder von Göttern bzw. Göttinnen waren und auch den Verlauf des Kalenders bestimmten. Außerdem waren sie mit den großen heidnischen Festen zur Verehrung der Götter verbunden. Aus der Sicht des Paulus waren diese Götter Dämonen. Daher hatte er eine dämonische Knechtschaft im Sinne, in der die Galater vor der Verkündigung des Evangeliums festgehalten worden waren ... In den nachfolgenden Versen fährt Paulus fort und behandelt diese drei entscheidenden Themen in schneller Reihenfolge: 1.) ,die in Wahrheit nicht Götter sind‘, vermutlich falsche Götter oder Dämonen; 2.) ,die schwachen und dürftigen Mächte‘, wiederum stoicheia; und 3.) ,Tage ... und Monate und Zeiten und Jahre‘ (Verse 9-10). Zweifelsohne war die Denkweise von Paulus gegenüber diesen Dämonen ganz anders als die ehemalige Denkweise der Galater ... Daher nimmt diese ganze Sache eine kosmische und geistliche Bedeutung an. Schließlich steht die Freiheit in Christus im Gegensatz zur Knechtschaft gegenüber Satan und den bösen Geistern“ (James Montgomery Boice, The Expositor’s Bible Commentary, Band 10, Seite 472).

Abergläubische Einhaltung von Tagen und Zeiten

In diesem Zusammenhang hielten die Galater besondere „Tage ... und Monate und Zeiten und Jahre“. Das Wort, das hier mit „haltet“ übersetzt wird, ist das griechische Wort paratereo, das „genau beobachten, beachten [oder] bewachen“ bedeutet (Horst Balz und Gerhard Schneider, Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. verbesserte Auflage, 1992, Band 3, Seite 81).

Dieses Wort „scheint die Bedeutung von ,ängstlichem, genauem, gut informiertem Halten im eigenen Interesse‘ zu haben, was hinsichtlich der Beobachtung von Zeiten oder Zeitspannen, die im Sinne des Kalenders oder der Astrologie positiv oder negativ bewertet werden, ... passend ist“ (Gerhard Kittel, Theological Dictionary of the New Testament, Band 3, Seite 148).

Was immer die „Tage ... und Monate und Zeiten und Jahre“ waren, die die Galater hielten, so hielten sie sie anscheinend in abergläubischer Weise, genauso wie sie Tage und Zeiten vor ihrer Bekehrung gehalten hatten.

Anhand des Zusammenhangs erkennen wir, daß der Schluß unlogisch ist, wonach Paulus die Heiligung des biblischen Sabbats und der Feste kritisierte, da sie gar nicht erwähnt werden. Statt dessen griff er die fehlgeleiteten Bemühungen um die Erlangung des Heils durch abergläubische Praktiken an.

Kolosser 2,16-17: Ist der Sabbat überholt?

Ein dritter Abschnitt aus den Paulusbriefen in Kolosser 2,Verse 16-17 wird auch zur Unterstützung der Behauptung benutzt, daß die Heiligung des Sabbats nicht mehr notwendig ist. Paulus schrieb: „So laßt euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats. Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; leibhaftig aber ist es in Christus.“

Auch in diesem Fall wollen wir diese Verse aus dem Paulusbrief in ihrem ursprünglichen und geschichtlichen Zusammenhang untersuchen, um zu sehen, ob sie diese Behauptung unterstützen.

War es Paulus’Absicht zu sagen, daß die Heiligung des Sabbats abgeschafft war? Wenn dies der Fall ist, so stellen sich sofort Schwierigkeiten bei der Auslegung ein. Wenn man diesen Standpunkt einnimmt, wird es schwierig zu erklären, warum Paulus die Abschaffung dieser Praktiken nicht klar feststellt. Im Gegenteil: Diese Verse zeigen, daß gerade die Kolosser diese Tage tatsächlich hielten.

Schließlich war die Gemeinde zu Kolossä vorwiegend heidenchristlich (Kolosser 1,27; 2,13). Daher hätte Paulus den Brief an die Kolosser dazu nutzen können, um klarzustellen, daß diese Praktiken für Heidenchristen und andere Christen nicht verbindlich waren.

Paulus hat das jedoch nicht klargestellt, denn bezüglich der Feiertage, des Neumondes und des Sabbats schrieb Paulus lediglich, daß sich die Kolosser von niemandem ein Gewissen machen lassen sollten. Das ist freilich ganz anders, als hätte man gesagt, daß diese Dinge unnötig oder überflüssig wären.

Keine Behandlung biblischer Praktiken

Eine wichtigere Frage wäre die, ob Paulus in diesem Abschnitt überhaupt überwiegend alttestamentliche Praktiken behandelt. Behandelte Paulus wirklich die Frage, ob Christen die Gesetze bezüglich reiner und unreiner Speisen, der biblischen Feste, des wöchentlichen Sabbats oder irgendwelche anderen alttestamentlichen Gesetze halten sollten? Die nachfolgenden Verse machen klar, daß andere Themen behandelt werden, die mit dem von Gott im Alten Testament gegebenen Gesetz nichts zu tun haben.

Dazu gehörten „Mächte und Gewalten“ (Vers 15), „falsche Demut und Verehrung der Engel“ (Vers 18),Verbote gegen das Anfassen, Kosten und Anrühren (Vers 21) und dadurch, „daß sie den Leib nicht schonen“ (Vers 23).

Darüber hinaus beschrieb Paulus die falschen Lehren in Kolossä als in „verführerischen Reden“ (Vers 4), „Philosophie“ und der „Lehre von Menschen“ (Vers 8) gegründet. Außerdem bezog er sich auf die Unterwerfung vor den „Satzungen“ dieser Welt (Vers 20) und auf die „Gebote und Lehren von Menschen“ (Vers 22).

Kann es wirklich angehen, daß Paulus, der das Gesetz als „heilig, gerecht und gut“ beschrieb (Römer 7,12), an dieser Stelle dasselbe Gesetz meint, oder spricht er eine völlig andere Angelegenheit an?

Unterwanderung durch Gnostizismus

Eine Untersuchung des geschichtlichen Zusammenhangs läßt die Antwort klar werden. Bei ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung mußte sich die Kirche des ersten Jahrhunderts mit einem zunehmenden gnostischen Einfluß auseinandersetzen. Die Zunahme jenes Einflusses und damit verbundener Praktiken ist in den Briefen von Paulus, Petrus und Johannes besonders feststellbar.

Der Gnostizismus war „im Grunde eine religiös-philosophische Gesinnung und kein klar definiertes System“ (Curtis Vaughan, The Expositor’s Bible Commentary, Band 11, Seite 166). Als solches stand er daher nicht im Wettstreit als zusätzliche Religion, sondern war eine Sichtweise für bereits bestehende Glaubenssysteme. Das zentrale Thema des Gnostizismus war, daß geheimes Wissen (gnosis ist das griechische Wort für Erkenntnis, daher der Begriff Gnostizismus) die persönliche Religion eines Menschen bereichern oder verbessern könnte.

„Seine zentrale Lehre war, daß Geist gänzlich gut ist und die Materie gänzlich schlecht. Aus diesem nichtbiblischen Dualismus heraus ergaben sich ... wichtige Fehler“ (The New International Version Study Bible, Vorwort zu 1. Johannes). Zu diesen Fehlern gehörte der Glaube, daß „der menschliche Körper, der Materie ist, aus diesem Grund böse ist und Gott, der gänzlich Geist und daher gut ist, gegenüberzustellen ist“; das Heil „ist das Flüchten vor dem Körper, das nicht durch den Glauben an Christus, sondern durch besondere Erkenntnis erreicht wird“. Und: „Da der Körper für böse gehalten wurde, sollte er in strenger Weise behandelt werden. Diese asketische Form des Gnostizismus ist der Hintergrund für einen Teil des Briefes an die Kolosser.“

Zusätzlich zu diesen Vorstellungen „war der Gnostizismus in all seinen Formen von dem Glauben ... an vermittelnde Wesen gekennzeichnet“. Darüber hinaus „war die Erkenntnis, von der die Gnostiker sprachen, eine durch mystische Erfahrung, nicht durch geistige Erfassung gewonnene Erkenntnis. Es war eine Erkenntnis des Okkultismus, von dem Aberglauben der Astrologie und der Magie durchdrungen. Außerdem war es eine esoterische Erkenntnis, die nur denen, die in die Mysterien des gnostischen Systems eingeweiht worden waren, erschlossen war“ (Vaughan, Seite 167).

Hinweise auf gnostische Lehren

Alle diese Themen hatten Einfluß auf die Gemeinde zu Kolossä. Es ist klar, daß Paulus die von Gnostikern behauptete, vermeintlich besondere Erkenntnis bekämpfte, indem er den Kolossern schrieb, er mache ihnen die höhere, errettende Erkenntnis über Gott und Jesus Christus bekannt (Kolosser 1,9. 25-29; 2,2-3).

Paulus schrieb ihnen, damit sie „niemand betrüge mit verführerischen Reden“ (Kolosser 2,4). Diese geheime Erkenntnis nannte er „nichts als Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus“ (Vers 8). Die wichtigere Erkenntnis — so schrieb Paulus — war die über Gott und Christus, „in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Vers 3).

Zu den Anhängern der ketzerischen Lehre gehörten Leute, die Engel und andere geistliche Mächte anbeteten. Paulus warnte die Kolosser vor denen, die Gefallen an der „Verehrung der Engel“ hatten (Vers 18). Nach Paulus waren diese vermeintlichen geistlichen „Mächte und Gewalten“ angesichts des versöhnenden Opfers Christi als Mittel des Zugangs zu Gott wertlos (Verse 10, 15).

Strenge asketische Haltung

Gegründet auf ihren Glauben, daß Geist gut und Materie schlecht sei, lehrten diese Philosophen strenge Askese und versagten sich jegliche physische Freude. Dadurch, daß sie „den Leib nicht“ schonten (Vers 23), erhofften sie, sich vermehrte Geistlichkeit zu erschließen.

Ihre Regeln beschrieb Paulus mit „Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren“ (Vers 21). Diese Regeln betrafen Dinge, die „doch verbraucht und verzehrt werden“ sollten, schrieb er, weil sie sich auf die „Gebote und Lehren von Menschen“ gründeten, nicht auf die Lehre Gottes.

Diese frühe gnostische Askese verband wahrscheinlich heidnische Konzepte mit jüdischen Elementen wie der Beschneidung (Vers 11). „Es ist daher wahrscheinlich, daß die Ketzerei zu Kolossä eine Mischung einer extremen Form des Judentums und einem frühen Stadium des Gnostizismus war“ (The New International Version Study Bible,Vorwort zum Kolosserbrief).

Um nach den von Paulus behandelten Lehren zu urteilen, scheint mindestens ein Zweig des Judentums von dem Gnostizismus beeinflußt worden zu sein. Er durchsetzte die Gemeinde zu Kolossä mit der Lehre einer extremen Form des asketischen Judentums, der mit gnostischen Ideen vermischt war. Die in diesen falschen Lehren befürwortete asketische Geisteshaltung verführte sie dazu, diejenigen zu verurteilen, deren religiöse Feiern ihren asketischen, geistlichen Maßstäben nicht entsprachen. Daher hielt Paulus die Kolosser an, sich „von niemandem ein schlechtes Gewissen machen“ zu lassen „wegen Speise und Trank“ (Vers 16).

Danach gerichtet, wie (nicht ob) sie den Sabbat hielten

Die Kolosser wurden nicht gerichtet, weil sie Feste und Sabbate als solche hielten, sondern sie wurden danach gerichtet, wie sie diese Zeiten begingen, anscheinend in freudiger und festlicher Weise. Schließlich waren diese Tage von Gott als Feste und Feiern verordnet worden. Sie in dieser Weise zu begehen widersprach gänzlich der gnostischen Haltung der freudlosen Selbstverleugnung, die in diesem Kapitel so offensichtlich ist.

Der Gnostizismus befaßte sich auch mit den Sternen und Planeten, die Paulus die „Mächte der Welt“ nennt (Vers 8). Die gnostische Sichtweise hatte wahrscheinlich die Einhaltung der Feste, Neumonde und Sabbate beeinflußt, da der diese Tage bestimmende Kalender von den Bewegungen der Himmelskörper festgelegt wurde.

Durch seine Ermahnung an die Gläubigen in Kolossä, sich nicht von anderen bezüglich der Art und Weise richten zu lassen, wie sie die Feste und Sabbate begingen, stellte Paulus das Halten dieser Tage nicht in Frage. Die in diesen Versen offensichtlich werdende Schlußfolgerung ist, daß die Heidenchristen diese Tage in der Tat hielten. Es wurde ihnen keinesfalls gesagt, daß sie das lieber lassen sollten.

Statt dessen stellt Paulus klar, daß Christen für ihr festliches Begehen dieser Tage nicht kritisiert werden sollten. Paulus ermahnte die Christen in Kolossä, sich nicht von denen, die verfehlte asketische Maßstäbe anlegten, in Fragen nach dem, was sie aßen oder tranken oder wie sie die Sabbate und die Festtage begingen, richten zu lassen (Vers 16).

Der übergeordnete Zusammenhang von Kolosser 2,Vers 16 handelt von der Askese, die aus dem frühen Gnostizismus herausgewachsen war. Dieser Vers behandelt die Frage nicht, welche Gesetze für Christen verbindlich sind.

Ein Schatten des Zukünftigen

Wie ist die Aussage des Paulus in Kolosser 2,Vers 17 bezüglich der Sabbate und biblischen Festtage zu verstehen? „Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; leibhaftig aber ist es in Christus.“ Meinte Paulus etwa, daß diese Tage überholt waren, weil Jesus Christus die Substanz dessen war, was diese Tage darstellten?

Tatsächlich sagte Paulus, daß sie „ein Schatten des Zukünftigen“ sind, womit auf eine künftige Erfüllung hingewiesen wird. Das mit „des Zukünftigen“ übersetzte griechische Wort ist mello, das wie folgt definiert wird: „Im Begriffe sein, etwas zu tun oder zu erleiden; kurz davor stehend, bevorstehend“ (Spiros Zodhiates, The Complete Word Study Dictionary New Testament, Seite 956).

Mello bedeutet „etwas vorzuhaben, womit oft die Notwendigkeit und die Gewißheit dessen, was stattfinden soll, angedeutet wird“ (W. E. Vine, Vine’s Expository Dictionary of New Testament Words, „Come“, Seite 207).

Paulus benutzt dieselbe Formulierung in Epheser 1, Vers 21, wo er sagt, daß Gott Christus gesetzt hat „über alle Reiche, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen“. Indem er die heutige Welt der zukünftigen Welt gegenüberstellt, weist er damit klar auf eine zukünftige Erfüllung hin.

Diese künftige Erfüllung wird auch durch die Formulierung in Kolosser 2, Vers 17 klargemacht, wonach diese Dinge „ein Schatten“ sind. Das griechische Wort esti, an dieser Stelle mit „ist“ übersetzt, ist im aktiven Präsens und bedeutet „sein“ oder „ist“ (Zodhiates, Seite 660). Wenn Paulus gemeint haben sollte, daß der Sabbat und die Feste bereits erfüllt und durch Jesus Christus überholt worden waren, hätte er sagen müssen, daß sie ein Schatten „waren“ — eine gänzlich andere Formulierung.

Die Wortwahl des Paulus stellt klar, daß der Sabbat und die Festtage „ein Schatten“ des Zukünftigen sind und nicht ein Schatten von Dingen, die von Jesus Christus bereits erfüllt und damit überholt waren.

Physische Handlungen beinhalten geistliche Lektionen

Bezüglich der Anbetung Gottes nehmen einige an, daß gewisse physische Handlungen — da sie Sinnbilder größerer geistlicher Wahrheiten sind — im Neuen Testament durch Christus erfüllt wurden und daher überholt sind. Solche Menschen rechnen den Sabbat und andere biblische Feste zu dieser Kategorie aufgrund der Aussage von Paulus, nach der sie „ein Schatten des Zukünftigen“ sind.

Diese Schlußfolgerung ist jedoch nicht stichhaltig. Daß eine Sache ein Schatten, Sinnbild oder eine Darstellung ist, bedeutet nicht, daß ihre Wichtigkeit dadurch gemindert wird. Das Alte und das Neue Testament sind beide voller Sinnbilder und symbolischer Handlungen, die Gott gebietet, um uns wichtige geistliche Lektionen zu lehren.

So ist die Taufe eine symbolische Handlung, die eine größere geistliche Wahrheit darstellt — das Begräbnis des alten Ich und die Führung eines neuen Lebens (Römer 6,3-4); dennoch wird uns geboten, uns taufen zu lassen (Apostelgeschichte 2,38). Das Brot und der Wein der Passafeier sind Symbole der wichtigen geistlichen Beziehung, die wir zu Jesus Christus haben. Gottes Erwartung unserer Teilnahme an diesen Symbolen wird jedoch klar ausgedrückt (1. Korinther 10,16).

Das Händeauflegen (Hebräer 6,2), das Salben mit Öl (Jakobus 5,14), die Fußwaschung (Johannes 13,14), die Einnahme ungesäuerten Brotes (1. Korinther 5,6-8) und andere physische Handlungen werden im Neuen Testament nicht deshalb angeordnet, weil sie größer als die von ihnen dargestellten Dinge sind, sondern deshalb, weil die Ausführung dieser Handlungen der Vertiefung und Festigung unseres Verständnisses dient. Schließlich sind wir materielle Menschen auf der Suche nach geistlichem Verständnis. Gott gab uns daher materielle Handlungen und Sinnbilder, um uns zum besseren Verständnis geistlicher Lektionen zu verhelfen.

Die Beispiele zeigen uns, daß sich Sinnbilder und symbolische Handlungen nicht allein auf die physische Anbetung Gottes im Alten Testament beschränken. Sie werden auch als wichtige Bestandteile der Anbetung Gottes im Neuen Testament klar verordnet und sind wichtige Erinnerungen an bedeutende geistliche Wahrheiten, wie Paulus schrieb (1. Korinther 11,23-26). Das gleiche gilt für den Sabbat. Durch seine Taten und Belehrungen am Sabbat zeigte Jesus Christus, daß der Sabbat ein Sinnbild — ein Vorgeschmack — der großen kommenden messianischen Zeit des Friedens, der Ruhe, der Freiheit und der Heilung ist.

In Kolosser 2, Verse 16-17 behandelt Paulus weder die Fortdauer noch die vorübergehende Natur des Sabbats. In der Tat zitiert Paulus das Alte Testament kein einziges Mal im Kolosserbrief. In seinen anderen Briefen benutzt er das griechische Wort für „Gesetz“ — nomos — Dutzende von Malen, aber kein einziges Mal im Kolosserbrief. Warum? Weil das Alte Testament und das Gesetz nicht sein Thema waren.

Statt die Heiligung des Sabbats zu verneinen, bestätigen die Anweisungen des Paulus — ca. 62 n. Chr. geschrieben —, daß Heidenchristen den Sabbat mehr als 30 Jahre nach dem Tod Christi in der Tat hielten und daß der Sabbat für uns heute eine wichtige Erinnerung an bedeutende geistliche Wahrheiten ist.

Bericht der Apostelgeschichte

Die drei in diesem Kapitel behandelten Abschnitte in den Paulusbriefen sind diejenigen, die bei dem Versuch, zu beweisen, daß Paulus die Heiligung des Sabbats abschaffte, gewöhnlich benutzt werden. Wie wir jedoch gesehen haben, wird der Sabbat in zwei dieser Abschnitte gar nicht erwähnt, und der dritte Abschnitt bestätigt, daß heidnische Gläubige den Sabbat tatsächlich hielten, da Paulus ihnen sagte, sie sollten sich wegen der Art, wie sie ihn hielten, nicht richten lassen. Zusätzlich zu seinen Worten zeigen aber seine Taten, daß es nie seine Absicht war, den Sabbat abzuschaffen oder zu verändern, und daß er selbst den Sabbat hielt.

Apostelgeschichte 13 hält fest, daß Paulus, zehn bis fünfzehn Jahre nach seiner Bekehrung durch ein Wunder, mit seinen Begleitern nach Antiochien in Asien reiste, wo sie „am Sabbat in die Synagoge“ gingen (Vers 14). Nachdem er eingeladen worden war, vor der Gemeinde zu sprechen, gehörten Juden und bekehrte Heiden zu seinen Zuhörern (Vers 16), als er erklärte, daß das Kommen Jesu Christi in den alttestamentlichen Schriften vorausgesagt worden war.

Seine Rede wurde mit solchem Enthusiasmus aufgenommen, daß die Heiden, als die Juden „aus der Synagoge hinausgingen“, Paulus baten, „am nächsten Sabbat noch einmal von diesen Dingen“ zu reden (Vers 42). Beachten Sie, daß diese Heiden den Sabbat mit den Juden in der Synagoge bereits hielten!

Wie reagierte Paulus auf diese Bitte? „Am folgenden Sabbat aber kam fast die ganze Stadt zusammen, das Wort Gottes zu hören“ (Vers 44). Wenn Paulus an den Sabbat nicht geglaubt hätte, hätte er ihnen genauso einfach sagen können, daß sie am nächsten oder an irgendeinem anderen Tag kommen könnten, um von ihm belehrt zu werden. Statt dessen wartete er bis zum nächsten Sabbat, an dem sich „fast die ganze Stadt“ versammelte — Juden und Heiden gleichermaßen —, um seine Botschaft zu hören.

Etwa fünf Jahre später kamen sie im heutigen Griechenland „nach Thessalonich; da war eine Synagoge der Juden. Wie nun Paulus gewohnt war, ging er zu ihnen hinein und redete mit ihnen an drei Sabbaten von der Schrift, tat sie ihnen auf und legte ihnen dar, daß Christus leiden mußte und von den Toten auferstehen und daß dieser Jesus, den ich — so sprach er — euch verkündige, der Christus ist“ (Apostelgeschichte 17,1-3). Ungefähr 20 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung war es immer noch die Gewohnheit des Paulus, am Sabbat in die Synagoge zu gehen, um dort die Schrift zu besprechen und von Jesus Christus zu lehren!

Einige Jahre später reiste er in die griechische Stadt Korinth; er „lehrte in der Synagoge an allen Sabbaten und überzeugte Juden und Griechen“ (Apostelgeschichte 18,4). Noch später reiste er nach Ephesus in Kleinasien. Dort ging er „in die Synagoge und predigte frei und offen drei Monate lang, lehrte und überzeugte sie von dem Reich Gottes“ (Apostelgeschichte 19,8).

Die Apostelgeschichte wurde etwa 63 n. Chr. kurz vor der Hinrichtung des Paulus in Rom geschrieben und beinhaltet die Geschichte der ersten 30 Jahre der neutestamentlichen Kirche. Sie zeigt, daß Paulus im Laufe von vielen Jahren Juden und Heiden am Sabbat wiederholt belehrt hat. Obwohl er der Apostel für die Heiden war, hat er ihnen gegenüber nie angedeutet, daß der Sabbat überholt oder unnötig wäre.

Um zu behaupten, daß der Apostel Paulus die Abschaffung des Sabbats befürwortete, muß man nicht nur die Worte des Paulus aus dem Zusammenhang im direkten Widerspruch zu seinen sonstigen Aussagen herausreißen, sondern man muß auch den schriftlichen Augenzeugenbericht von Lukas über die Kirche in jener Zeit ignorieren oder entstellen. Die Apostelgeschichte beinhaltet keine Beweise, daß der Sabbat in jener Zeit abgeschafft oder geändert wurde.

In Gerichtsverhandlungen gegen ihn versicherte Paulus allen Zuhörern, daß er an das Gesetz glaubte und nichts gegen das Gesetz getan hatte (Apostelgeschichte 24,14; 25,8). Er sagte, daß das Gesetz Gottes durch den Glauben weder annulliert noch abgeschafft sei, sondern im Gegenteil durch den Glauben aufgerichtet werde (Römer 3,31).

Paulus faßte zusammen: „Beschnitten sein ist nichts, und unbeschnitten sein ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten“ (1. Korinther 7,19). Seine kompromißlose Aussage lautete: Gottes Gebote zu halten ist entscheidend. Sie sind von absoluter Wichtigkeit für unsere Beziehung zu Gott.

Beim Halten des Sabbats tat Paulus selbst nur das, was er anderen gesagt hatte: Folgt meinem Beispiel, wie ich dem Beispiel Christi folge (1. Korinther 11,1)! Er hielt den Sabbat genauso, wie sein Meister ihn gehalten hatte.

Lust an Gottes Gesetz

Paulus hatte gesagt: „Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen“ (Römer 7,22). Er schaffte das Gesetz nicht ab, sondern bestätigte es als „heilig, gerecht und gut“ (Römer 7,12).

Für ihn war das Neue Testament kein Ersatz für das Alte Testament. Schließlich gab es zu seinen Lebzeiten keine neutestamentlichen Schriften — sie wurden erst einige Jahrzehnte nach seinem Tode zusammengetragen. Paulus zitierte aus den uns als Altes Testament bekannten Schriften Dutzende von Malen in seinen Briefen und akzeptierte sie als verbindlichen Wegweiser für die persönliche Lebensführung (Römer 15,4; 2. Timotheus 3,15).

Die neutestamentliche Kirche setzte einfach die Praktiken des Alten Testamentes fort, einschließlich des Sabbats, jedoch mit einem größeren Einblick und Verständnis ihrer geistlichen Bedeutung.