Das achte Gebot
Geben statt Nehmen
Mit dem achten Gebot, das das Stehlen verbietet, weist uns Gott auf zwei gegensätzliche Denkweisen im Leben hin. Unter den Menschen ist die vorherrschendere dieser beiden Denkweisen der Weg des Nehmens. Der Weg des Gebens hingegen spiegelt Gottes Liebe für andere Menschen wieder.
Diebstahl ist eine extreme Ausdrucksweise der habsüchtigen, begehrenden Lebensweise, die die Erfüllung persönlicher materieller Wünsche auf Kosten anderer Menschen in den Vordergrund stellt. Diese Lebensweise mißachtet die Grenzen, die von der menschlichen Gesellschaft und von Gott etabliert werden. Im Kern ist diese Lebensweise identisch mit der Selbstsucht.
Die geistliche Absicht des achten Gebotes informiert uns über den Anfang des Kampfes gegen die Selbstsucht. Wir nehmen diesen Kampf auf, indem wir lernen, die Rechte und Bedürfnisse anderer Menschen zu respektieren.
Das Recht auf Eigentum
Das achte Gebot schützt den Anspruch auf den rechtmäßigen Erwerb von persönlichem Eigentum. Gott möchte, daß wir dieses Recht schützen und anerkennen.
Gottes Wunsch für uns Menschen ist es, daß wir in bezug auf Wohlstand und Eigentum ausgeglichen sind. Er möchte, daß es uns gutgeht und daß wir physische Segnungen genießen (3. Johannes 1,2) und weise damit umgehen. Auf jeden Fall soll die Jagd auf Eigentum nicht der Mittelpunkt unseres Lebens sein (Matthäus 6,25-33). Gott freut sich besonders über unser physisches Wohlergehen, wenn wir unser Eigentum als Mittel zu einem wichtigeren Zweck sehen.
Für Gott ist es wichtig, daß Großzügigkeit statt Gier unsere Entscheidungen motiviert. Geben und Dienen sind Charaktereigenschaften Gottes. Deshalb möchte er, daß wir ihn in diesen Eigenschaften nachahmen, anstatt materielle Güter nur für uns selbst anzuhäufen.
Gott liebt den freudigen Geber
Jesus betonte die Wichtigkeit der Hilfsbereitschaft gegenüber Menschen, die finanzielle Hilfe brauchen: „Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück. Und wie ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch … Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lukas 6,30-31. 34-35).
In diesem Zusammenhang ermahnt uns Jesus, großzügig zu sein: „Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch wieder messen“ (Vers 38).
Gott möchte uns helfen, anderen zu helfen, wenn wir die Habgier durch Dienstbereitschaft gegenüber anderen Menschen ersetzen. Wie Paulus zeigte, ist diese Geisteshaltung für Gott sehr wichtig: „Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, daß alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk“ (2. Korinther 9,7-8).
Gott freut sich, wenn er sieht, daß, nachdem wir für unsere eigenen Grundbedürfnisse gesorgt haben, wir unseren Überschuß oder zusätzliche Segnungen einsetzen, um anderen Menschen zu helfen. Für ihn ist dies ein wichtiger Hinweis auf unsere Annahme und Umsetzung seiner Denk- und Lebensweise.
Das Herz eines Diebes verändern
Was hat das alles mit dem achten Gebot, das das Stehlen verbietet, zu tun? Paulus beantwortet diese Frage: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann“ (Epheser 4,28).
Um Gott zu gefallen, muß ein Dieb mehr tun als nur aufhören zu stehlen. Gott möchte nämlich wissen, daß ein Dieb, der aufgehört hat zu stehlen, nicht bloß vorübergehend „arbeitslos“ ist. In Gottes Augen hört ein Dieb erst dann auf, ein Dieb zu sein, wenn er das Stehlen durch das Geben ersetzt. Mit anderen Worten: Ein Dieb muß seine Geisteshaltung dem Eigentum anderer Menschen gegenüber grundsätzlich verändern.
Andere Formen des Diebstahls
Das persönliche Eigentum anderer Menschen zu stehlen ist nicht die einzige Form des Stehlens. Jakobus wies Arbeitgeber zurecht, die ihren Angestellten nicht den Lohn ausbezahlen, der ihnen für ihre Arbeit zusteht: „Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euer Land abgeerntet haben, den ihr ihnen vorenthalten habt, der schreit, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth“ (Jakobus 5,4). Auf der anderen Seite bestehlen Firmen bzw. Handwerker, die mehr Stunden abrechnen als sie wirklich geleistet haben, ihren Auftraggeber. Arbeitnehmer, die die Arbeit nicht leisten, für die sie bezahlt werden, stehlen ebenfalls.
Paulus ermahnte Sklaven seiner Zeit, einen gerechten Dienst zu leisten. Die- ses Prinzip gilt auch heute für Arbeitnehmer: „Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens, als dem Herrn Christus; nicht mit Dienst allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen. Tut euren Dienst mit gutem Willen als dem Herrn und nicht den Menschen; denn ihr wißt: Was ein jeder Gutes tut, das wird er vom Herrn empfangen, er sei Sklave oder Freier“ (Epheser 6,5-8).
Des weiteren gibt es Menschen, die sich etwas „ausleihen“ und es nie zurückgeben. Ist das kein Diebstahl? Und wie sieht es mit irreführender Werbung aus — die Menschen zu einem Einkauf bewegt —, wenn das angepriesene Produkt nicht hält, was die Werbung verspricht?
Es gibt heute so viele Möglichkeiten, das Eigentum von anderen Menschen zu nehmen, das uns nicht rechtmäßig zusteht, daß wir ständig vor Diebstahl auf der Hut sein müssen. Sonst könnten wir Gottes Gebot gegen das Stehlen brechen, ohne es zu erkennen.
Eine weitere Möglichkeit des Stehlens ist die Steuerhinterziehung gegenüber dem Staat. Sie ist in vielen Ländern unserer heutigen Welt so weit verbreitet, daß man sie fast als „Volkssport“ bezeichnen könnte. Es gibt alle möglichen Begründungen für Steuerhinterziehung: Der Staat sei korrupt, Steuergelder würden zu falschen Zwecken eingesetzt usw.
Jesus Christus erteilte solchen Ausreden eine klare Absage, als er gefragt wurde, ob man römische Steuern zahlen sollte. Dabei sollten wir bedenken, daß der römische Staat zu Jesu Lebzeiten bekanntlich kein „gerechtes“ System war: „... Ist’s recht, daß man dem Kaiser Steuern zahlt oder nicht? Als nun Jesus ihre Bosheit merkte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? Zeigt mir die Steuermünze! Und sie reichten ihm einen Silbergroschen. Und er sprach zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist ...“ (Matthäus 22,17-21). Steuerhinterziehung ist also Diebstahl.
Können wir Gott bestehlen?
Die Bibel zeigt eine weitere, nur von wenigen Menschen verstandene Form des Diebstahls: Diebstahl gegenüber Gott. Als Jesus auf die Frage der Pharisäer bezüglich der Zahlung von Steuern antwortete, gebot er seinen Zuhörern: „Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Matthäus 17,21). In einem Gleichnis verurteilte Jesus die Menschen, die „nicht reich für Gott“ sind, das heißt, die ihren „Reichtum“ nicht in den Dienst Gottes stellen (Lukas 12,21; Menge-Übersetzung).
Im Gegensatz dazu gibt uns die Bibel von der Zeit Abrahams an Beispiele von Gottes treuen Dienern, die den wahren Eigentümer von allem — Gott — anerkannten und ihm „das seine“ gaben. Abraham zahlte z. B. den „Zehnten“ an Melchisedek, den Priester Gottes des Höchsten (1. Mose 14,20).
Abraham, dessen Lebensweise als leuchtendes Vorbild für alle Christen hervorgehoben wird (Jakobus 2,21-23; Römer 4,11-12), erkannte das Prinzip des Gebens gegenüber Gott: Gott ist der eigentliche „Eigentümer“ von Himmel und Erde, und immer wieder erinnert uns Gott in der Bibel daran, daß ihm alles gehört (2. Mose 19,5; Hiob 41,11; Psalm 24,1; 50,12; Haggai 2,8).
Später gebot Gott Abrahams Nachkommen, dem Volk Israel — der alttestamentlichen „Gemeinde in der Wüste“ (Apostelgeschichte 7,38) —, ihm auf verschiedene Weise das zu geben, „was Gottes ist“. Dazu gehörten das Zahlen des „Zehnten“ und die Abgabe von Erstfrüchten und besonderen Opfern zu den drei jährlichen Festzeiten.
Dieses Geben sollte die Anbetung Gottes in Israel aufrechterhalten, die wiederum die Israeliten in die Lage versetzen sollte, als Gottes Vorbildnation den Nachbarvölkern zu dienen (5. Mose 4,1-2. 6-8). Das Beispiel Israels sollte andere Nationen inspirieren, den Gott Israels kennenzulernen und seine Lebensweise praktizieren zu wollen. Auf diese Weise sollte Israel ein Evangelium, eine „gute Nachricht“ über den Gott verbreiten, der es aus der Knechtschaft in Ägypten befreit hatte.
Auch die neutestamentliche Gemeinde, die „das Israel Gottes“ genannt wird (Galater 6,16), wurde von Gott aus der Knechtschaft Satans, der Sünde, befreit. Auch sie hat die Verantwortung, die Erkenntnis Gottes in der heutigen Welt zu verbreiten und ihren „Nachbarn“ zu helfen, Jünger Christi zu werden (Matthäus 28,18-20). Wie das Neue Testament mit seinen Beispielen klar zeigt, wird die neuzeitliche Verbreitung des Evangeliums auch von dem „Israel Gottes“ — der Gemeinde — finanziert (Lukas 10,1.7; 1.Korinther 9,7-14; 2. Korinther 11,7-9; Philipper 4,14-18).
An der Notwendigkeit, Gott das zu geben, „was Gottes ist“, hat sich also nichts geändert. Wer „reich für Gott“ ist, wird Gott als Eigentümer von Himmel und Erde anerkennen und ihm nicht durch Diebstahl vorenthalten, worauf er Anspruch erhebt.
Wahre Schätze für unsere Zukunft
Gott möchte, daß wir uns auf die Zukunft freuen. Sein Wort enthält viele Verheißungen bezüglich unserer Zukunft in seinem Reich. Wenn wir diesen Verheißungen wirklich glauben, werden wir unsere Zeit und Ressourcen in den Erwerb wahrer geistlicher Schätze, die ewig andauern und die kein Dieb stehlen kann, investieren. Dazu rät uns Jesus Christus: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen“ (Matthäus 6,19-20).
Das Schätzesammeln „im Himmel“ gibt uns eine andere Perspektive zum materiellen Reichtum in diesem Leben. Die wahren Werte haben nicht mit dem Anhäufen persönlichen Eigentums in diesem Leben zu tun, wobei wir schnell versucht werden können, das Eigentum anderer Menschen unrechtmäßig zu nehmen. Gott möchte, daß wir Charaktereigenschaften entwickeln, die weit über dieses Leben und seine vergänglichen materiellen Güter hinaus andauern werden. Die Grundlage dieser Charaktereigenschaften ist die Liebe, die unserem Nächsten sein Eigentum gönnt und die Versuchung zu stehlen überwindet.