Vom Reich ins Exil
Die Entscheidung Gottes, die Israeliten zu einer Musternation zu machen, bedeutete für diese eine ernsthafte Verantwortung. Gott hatte nämlich nicht vor, Israel vor den Folgen zu bewahren, die ein Verlassen seiner Wege und ein Herabsinken auf das Niveau der Nachbarvölker mit sich brachten.
Vor dem Einzug der Israeliten ins Gelobte Land hatte Gott sie eindringlich gewarnt, keine Bündnisse mit irgendeinem Volk einzugehen, das falschen Göttern diente: „Schließt keine Abkommen mit ihnen und laßt euch nicht mit ihren Göttern ein ... sonst werden sie euch dazu verleiten, mir untreu zu werden und ihre Götter zu verehren. Und das würde euch den Untergang bringen“ (2. Mose 23,32-33; Gute Nachricht Bibel).
Aus dem gleichen Grund verbot Gott den Israeliten, eheliche Beziehungen mit Angehörigen der Nachbarvölker einzugehen: „Ihr dürft euch auf keinen Fall mit ihnen verschwägern. Eure Töchter dürft ihr keinem Mann aus diesen Völkern geben und für eure Söhne dürft ihr keine Frau aus diesen Völkern nehmen. Sonst könnten sie von ihnen dazu verleitet werden, sich vom HERRN abzuwenden und andere Götter zu verehren. Dann würde der HERR über euch zornig werden und euch in kürzester Zeit vernichten“ (5. Mose 7,3-4; Gute Nachricht Bibel).
Salomo ignorierte beides! Zuerst schloß er einen Vertrag mit dem ägyptischen Pharao, den er durch seine Ehe mit einer Tochter des Pharao besiegelte (1. Könige 3,1). Dann schloß er einen Vertrag mit Hiram, dem König von Tyrus (1. Könige 5,26).
Zu Beginn seiner Regierungszeit liebte Salomo Gott und folgte in den Fußtapfen seines gerechten Vaters David. Zu dieser Zeit erschien Gott Salomo in einem Traum und bat ihn: „Bitte, was ich dir geben soll“ (1. Könige 3,5).
Hier traf Salomo eine weise Wahl. Er bat Gott um ein verständiges Herz, damit er seine königliche Verantwortung zum Wohle seines Volkes wahrnehmen könne. Gott versprach darauf nicht nur das von Salomo Gewünschte, sondern auch Reichtum, Ehre und ein langes Leben, aber alles unter der Voraussetzung, daß Salomo fortgesetzt nach den Bedingungen des Bundes leben würde, den Gott mit Israel geschlossen hatte.
Kurz nach der Vollendung und Einweihung des Tempels erschien Gott Salomo zum zweiten Mal in einem Traum: „Ich habe dein Gebet und Flehen gehört, das du vor mich gebracht hast, und habe dies Haus geheiligt, das du gebaut hast, daß ich meinen Namen dort wohnen lasse ewiglich, und meine Augen und mein Herz sollen da sein allezeit“ (1. Könige 9,13).
Danach bestätigte Gott den Thron Salomos und den Fortbestand seiner Dynastie über Israel. Außerdem sollten Salomos Nachkommen für immer in ihrem verheißenen Land bleiben können. All dies war aber an Bedingungen geknüpft. Sollte Salomo vom Wege Gottes abweichen, würden folgende Konsequenzen eintreten:
„Werdet ihr euch aber von mir abwenden, ihr und eure Kinder, und nicht halten meine Gebote und Rechte, die ich euch vorgelegt habe, und hingehen und anderen Göttern dienen und sie anbeten, so werde ich Israel ausrotten aus dem Lande, das ich ihnen gegeben habe, und das Haus, das ich meinem Namen geheiligt habe, will ich verwerfen von meinem Angesicht; und Israel wird ein Spott und Hohn sein unter allen Völkern“ (Verse 6-7).
Salomos Beispiel verdirbt das Volk
Gott verbot einem israelitischen König nicht nur die Heirat mit einer Nichtisraelitin. Er gebot auch, daß der König „nicht viele Frauen nehmen [soll]“ (5. Mose 17,17), so wie es bei den heidnischen Kö- nigen Brauch war. Salomo beging jedoch diesen verhängnisvollen Fehler:
„Aber der König Salomo liebte viele ausländische Frauen: die Tochter des Pharao und moabitische, ammonitische, edomitische, sidonische und hethitische – aus solchen Völkern, von denen der HERR den Israeliten gesagt hatte: Geht nicht zu ihnen und laßt sie nicht zu euch kommen; sie werden gewiß eure Herzen ihren Göttern zuneigen. An diesen hing Salomo mit Liebe“ (1. Könige 11,1-2).
„Und als er nun alt war, neigten seine Frauen sein Herz fremden Göttern zu ... So diente Salomo der Astarte, der Göttin derer von Sidon, und dem Milkom, dem greulichen Götzen der Ammoniter ... Damals baute Salomo eine Höhe dem Kemosch, dem greulichen Götzen der Moabiter .... und dem Moloch, dem greulichen Götzen der Ammoniter. Ebenso tat Salomo für alle seine ausländischen Frauen, die ihren Göttern räucherten und opferten.
Der HERR aber wurde zornig über Salomo, daß er sein Herz von dem HERRN, dem Gott Israels abgewandt hatte, der ihm zweimal erschienen war ... Darum sprach der HERR zu Salomo: Weil das bei dir geschehen ist und du meinen Bund und meine Gebote nicht gehalten hast, die ich dir geboten habe, so will ich das Königtum von dir reißen und einem deiner Großen geben.
Doch zu deiner Zeit will ich das noch nicht tun um deines Vaters David willen, sondern aus der Hand deines Sohnes will ich’s reißen. Doch will ich nicht das ganze Reich losreißen; einen Stamm will ich deinem Sohn lassen um Davids willen, meines Knechts, und um Jerusalem willen, das ich erwählt habe“ (Verse 4-13).
Israel zerfällt in zwei Reiche
Gottes Ankündigung wurde wahr: Nach dem Tode Salomos (ca. 928 v. Chr.) beklagten sich die nördlichen Stämme des Reiches über Salomos hohe Steuern und die Fronarbeit (1. Könige 4,7; 5,2. 6-8. 27. 29). Als sein Sohn Rehabeam König wurde, baten die Nordstämme um entsprechende Erleichterungen.
Rehabeam beriet sich mit seinen Ratgebern. Die älteren rieten dazu, auf die Anliegen der Bevölkerung einzugehen, um das Leben der einfachen Menschen zu erleichtern. Die jüngeren Ratgeber rieten Rehabeam jedoch, seine totalitäre Stellung in seinem Reich mit der Durchsetzung noch höherer Abgaben zu untermauern. Rehabeam folgte unklugerweise dem Rat der jüngeren.
Das Ergebnis war absehbar. Die nördlichen zehn Stämme fielen ab und krönten Jerobeam, der unter Salomo ein hohes Amt bekleidet hatte, zum König. So wurde wahr, was der Prophet Ahija vor vielen Jahren vorhergesagt hatte (1. Könige 11, 28-40; 12,20). Nur die Stämme Juda und Benjamin blieben dem Haus David treu.
Rehabeams erste Reaktion war, mit einer Armee von 180 000 Mann in den Krieg gegen die nördlichen Stämme zu ziehen, um ihnen eine Lektion zu erteilen (1. Kö- nige 12,21). Doch Gott sandte den Führern Judas folgende Botschaft: „Ihr sollt nicht hinaufziehen und gegen eure Brüder, die von Israel, kämpfen. Jedermann gehe wieder heim, denn das alles ist von mir geschehen. Und sie gehorchten dem Wort des HERRN, kehrten um und gingen heim, wie der HERR gesagt hatte“ (Vers 24). Sie brachen die Invasion ab. Somit begann die Ära der geteilten Reiche Israel und Juda.
Von Anbeginn der Trennung, nämlich mehr als 200 Jahre vor der assyrischen Eroberung, sind diese zehn nördlichen Stämme bekannt geworden als das Reich oder Haus Israel. Die südlichen Stämme Juda, Benjamin und ein Teil von Levi werden seitdem als Reich oder Haus Juda bezeichnet. Die Verheißung eines göttlichen Königs blieb aber beim Stamm Juda.
Die nördlichen Stämme behielten den Namen Jakobs bzw. den von Israel. Sie besaßen weiterhin die Zusage auf nationale Größe. Sie erhielten aufgrund von Abrahams Gehorsam das Erstgeburtsrecht, das Gott Josef versprochen hatte – materielle Segnungen und nationales Ansehen.
Über das nördliche Reich regierten in den folgenden 200 Jahren zehn Dynastien mit nicht weniger als 19 Königen.
Gott macht Jerobeam ein Angebot
Vor dem Abfall der Nordstämme hatte Gott den Propheten Ahija zu Jerobeam gesandt. Gott ließ Jerobeam mitteilen, daß er der König der nördlichen Stämme werden sollte, und versprach ihm Segnungen und eine ewige Dynastie. „... daß du regierst über alles, was dein Herz begehrt, und Kö- nig sein sollst über Israel. Wirst du nun gehorchen allem, was ich dir gebieten werde, und in meinen Wegen wandeln und tun, was mir gefällt, und meine Rechte und Gebote halten, wie mein Knecht David getan hat, so will ich mit dir sein und dir ein beständiges Haus bauen, wie ich es David gebaut habe, und will dir Israel geben“ (1. Könige 11,37-38).
Jerobeam hatte die Chance, den Teil des Reiches dauerhaft zu erhalten, den Gott ihm gegeben hatte. Doch leider vertraute er auf seine eigene Weisheit. Zur Sicherung seiner Macht über die zehn Stämme des Nordens baute Jerobeam umgehend zwei Hauptstädte an traditionell bedeutsamen Treffpunkten der Stämme. Die eine war Sichem in der Nähe des heutigen Nablus auf der Westbank. Die andere war Pnuel, auf der Ostseite des Jordan gelegen, heute jordanisches Hoheitsgebiet.
Danach gab er zu verstehen, was er als Hauptproblem für seine mögliche Entmachtung ansah: „Wenn ich nichts unternehme“, sagte er sich, „werde ich mein Königtum wieder an die Nachkommen Davids verlieren. Denn wenn das Volk regelmäßig nach Jerusalem geht und im Tempel des HERRN Opferfeste feiert, werden die Leute sich wieder ihrem früheren Herrn, dem König von Juda, zuwenden und Rehabeam als König anerkennen. Sie werden mich umbringen“ (1. Könige 12, 26-27; Gute Nachricht Bibel).
Jerobeam ändert Israels Religion
Um diese Entwicklung zu verhindern, führte Jerobeam eine eigene Religion ein. Allein aus politischen Gründen, zu seiner Machtsicherung über die Nordstämme, änderte Jerobeam für seine Untertanen die Art ihrer Anbetung Gottes.
In den letzten Jahren Salomos war Götzendienst in Israel populär geworden. Jerobeam konnte mit seinen Götzen hier anknüpfen: „Und der König hielt einen Rat und machte zwei goldene Kälber und sprach zum Volk: Es ist zu viel für euch, daß ihr hinauf nach Jerusalem geht; siehe, da ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat. Und er stellte eins in Bethel auf, und das andere tat er nach Dan“ (1. Könige 12,28-29).
Dan war weit im Norden des Reiches. Bethel lag im Süden nahe der Grenze zu Juda, an einer Hauptroute nach Jerusalem. Diesen Weg nahmen viele Pilger, um zum Laubhüttenfest nach Jerusalem zu reisen.
Jerobeam glaubte, die jährlichen Feste Gottes (3. Mose 23) könnten zu einer Erweckungsbewegung für die nationale Wiedervereinigung führen. Daher verlegte er die Herbstfesttage (3. Mose 23,23-24) vom siebten in den achten Monat des Jahres (1. Könige 12,32-33).
Zudem entfernte Jerobeam alle Priester aus ihren Ämtern (Vers 31 und 1. Könige 13,33), jene Männer, die Gottes Anordnung dafür bestimmt hatte, die nationale Integrität des religiösen Lebens aufrechtzuerhalten (2. Mose 40,15). Da die levitischen Priester ihr Amt nicht von Jerobeam erhielten und somit von ihm unabhängig waren und sich seiner Kontrolle weitgehend entzogen, sah er in ihnen eine massive Bedrohung seiner Machtposition.
Durch die Amtsenthebung der Leviten gelang es Jerobeam, das religiöse Leben des Volkes unter seine Kontrolle zu bringen. Daraufhin wanderten viele Leviten nach Juda aus, um dort den ihnen von Gott erteilten Auftrag weiter ausführen zu können (2. Chronik 11,13-15). An die Stelle der Leviten setzte Jerobeam eine neue, ihm ergebene Priesterschaft aus „allerlei Leuten“ und wenig erfahrenen willfährigen Menschen (1. Könige 12,31 bzw. 13,33), die ihr Amt allein „von Königs Gnaden“ hatten und somit alles taten, um ihre Stellung zu behalten.
Jerobeam führte in Israel den Synkretismus ein, die Verschmelzung verschiedener Religionssysteme. Er kombinierte bestimmte Aspekte von Gottes wahrer Lehre mit heidnischen Glaubensvorstellungen und menschlichem Rationalismus. Dabei hat er sicher viele Aspekte seiner religiösen Praktiken aus den Bräuchen der Ägypter und Tyrer, den damaligen Verbündeten Israels, übernommen.
Damit wollte er seine Verbindungen mit diesen beiden ökonomischen und militärischen Alliierten stärken. Von diesem Zeitpunkt an erscheint das nördliche Königreich für die Außenwelt praktisch als Anhängsel der mächtigen Küstenstädte der Phönizier. Sie waren Handelspartner, hatten dieselbe Sprache und wahrscheinlich ähnliche religiöse Praktiken.
Die klare, von Gott ursprünglich beabsichtigte Unterscheidung Israels von seinen Nachbarn wurde nach und nach verwischt. So ist es nicht verwunderlich, daß viele Historiker Schwierigkeiten haben, die Rolle Israels in der Region zu erkennen. Sie sehen die Israeliten lediglich als Händler in der phönizischen Küstenregion. Damit war Israel auf das gleiche Niveau wie die anderen Reiche gesunken. Es hatte seine Rolle als geistliches Licht und Vorbild gegenüber den anderen Völkern eingebüßt.
Gottes Antwort auf die Sünden Israels und Judas
Nur kurze Zeit nach der Einführung der neuen religiösen Rituale und Praktiken in Bethel und Dan erhielt der Prophet Ahija, der schon Jerobeams Königtum angekündigt hatte, eine weitere Botschaft von Gott: „Geh heim und richte Jerobeam aus: So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich aus dem ganzen Volk ausgewählt und dir die Herrschaft über mein Volk übertragen. Ich habe das Königtum über Israel den Nachkommen Davids weggenommen und habe es dir gegeben. Aber du bist nicht dem Beispiel meines Dieners David gefolgt, der mir unverbrüchlich die Treue hielt, der alle meine Gebote beachtet und nur getan hat, was mir gefällt. Nein, du hast es schlimmer getrieben als irgendeiner vor dir: Mich hast du verworfen und hast dir eigene Götter gemacht, Bilder aus Bronzeguß! Beleidigt hast du mich damit! Deshalb werde ich Unglück über deine Familie bringen. Alle deine männlichen Nachkommen werde ich ausrotten, die mündigen wie die unmündigen. Ich werde keinen von ihnen übrig lassen, so wie man Kot bis zum letzten Rest wegfegt“ (1. Könige 14,7-10; Gute Nachricht Bibel).
Jerobeam steuerte sehr schnell in die absolut falsche Richtung. Bedauerlicherweise tat Juda, das südliche Nachbarland, dasselbe. König Rehabeam, dessen Mutter eine Ammoniterin war, setzte den von Salomo in seinen letzten Tagen eingeführten Götzendienst fort. So trieben auch in Juda viele Menschen Götzendienst, was sie von der Anbetung des wahren Gottes abhielt (1. Könige 14,22-24).
Es dauerte nicht lange, bis Juda und Israel von ihren Sünden eingeholt wurden. Im fünften Jahr der Regierungszeit von Rehabeam überfiel Pharao Schischak das judäische Reich mit einer überwältigenden Streitmacht. Nach so vielen Jahren Bündnis mit Ägypten wurde Rehabeam von diesem Schlag völlig überrascht und geriet in Panik. Der Prophet Schemaja brachte Rehabeam folgende Botschaft Gottes über ihn und seine Ratgeber in Jerusalem: „Weil ihr euch von mir abgewandt habt, wende ich mich auch von euch ab und gebe euch in die Hand Schischaks“ (2. Chronik 12,5; Gute Nachricht Bibel). Die Bibel berichtet, daß die Ägypter als Tribut den größten Teil des Schatzes forderten, den Salomo für den Tempel und seinen Königspalast hatte machen lassen.
Schischaks eigene Beschreibung dieser Invasion wurde an den Wänden des Tempels gefunden, den er mit der Beute aus seinem Feldzug zu Ehren seines Gottes Amun-Re in Karnak errichten ließ. Er prahlt hier mit der Einnahme von 150 Orten, von denen die meisten in der NegevWüste und im Norden des Landes lagen. Damit war Israels goldenes Zeitalter unter einem gemeinsamen König, der unglaubliche Schätze aus Gold für den Tempel und seinen Palast anhäufen konnte, endgültig zu Ende.
Die Bibel berichtet jedoch davon, daß Judas Führung ihre Schuld eingestand und sich vor Gott demütigte. Solches kann von den Regierenden der nördlichen zehn Stämme nicht berichtet werden, deshalb ging das Nordreich als erstes in die Gefangenschaft.
Die Herzensänderung von Rehabeam ließ Gott die Auswirkungen von Judas Desaster mindern: „Sie haben ihre Schuld eingestanden; darum will ich sie nicht umbringen. Mein Zorn soll nicht so weit gehen, daß Schischak Jerusalem vernichtet; ich werde sie bald aus dieser Gefahr erretten. Aber sie werden sich ihm unterwerfen müssen, damit sie erkennen, was für ein Unterschied es ist, mir zu gehorchen oder den Königen anderer Länder“ (2. Chronik 12,7-8; Gute Nachricht Bibel).
Hier können wir eine weitere wichtige Lektion darüber lernen, wie Gott mit seinem Volk Israel umgegangen ist. Bei Reue beseitigte Gott nicht automatisch alle Folgen seiner Sünden. Gott ist immer gnädig, und bei aufrichtiger, tiefer Selbstdemütigung der Menschen wägt er Bestrafung und Begnadigung gegeneinander ab. Ihm geht es nicht um die Bestrafung allein um der Bestrafung willen.
Gott ist schließlich kein blindwütiger Tyrann. Seine Taten haben immer Sinn und Zweck und sollen helfen, daß der Mensch eine Lektion lernt und sein Leben entsprechend ändert (Hesekiel 33,11). Viele Beispiele aus der Geschichte Israels und Judas zeigen das.
Gott hat immer ein langfristiges, positives Ergebnis für diejenigen im Sinn, mit denen er arbeitet (Hebräer 12,5-12). Sein Endziel ist natürlich, daß jeder Mensch zur Reue kommt (2. Timotheus 2,24-26; 2. Petrus 3,9), daß jeder sich zu ihm bekennt und von ganzem Herzen nach seinen Geboten lebt.
Die Katastrophe naht
Da die Bewohner des Nordreiches der Führung Jerobeams willig in den Götzendienst folgten, warnte Gott die Israeliten vor den Folgen ihrer Rebellion: „Ja, der HERR wird Israel einen Schlag versetzen, daß es schwankt wie ein Schilfrohr im Wasser. Er wird die Leute von Israel aus diesem guten Land, in das er ihre Vorfahren eingepflanzt hat, ausreißen und wird sie wegschleudern in das Land jenseits des Euphratstromes. So werden sie dafür bestraft, daß sie sich geweihte Pfähle aufgestellt [diese symbolisierten die Gegenwart der im phönizisch-kanaanitischen Bereich angebeteten Fruchtbarkeits- und Vegetationsgöttin Aschera – siehe Gute Nachricht Bibel, Sacherklärungen, Stichwort ,Aschera‘] und den HERRN damit beleidigt haben. Er wird die Leute von Israel ihren Feinden preisgeben, weil Jerobeam sich gegen ihn vergangen hat und sie sich von ihm zum Götzendienst verführen ließen“ (1. Könige 14,15-16; Gute Nachricht Bibel).
Gott war sehr geduldig mit Israel, er gab seinem Volk viele Möglichkeiten zur Reue und Umkehr. Doch in den folgenden zwei Jahrhunderten verstrickten sich die Israeliten und ihre Könige immer tiefer in ihren Sünden. Sie drifteten immer weiter von ihrem Bund mit dem Schöpfergott ab, den sie einst in den Tagen Moses geschlossen hatten.
So zog Gott seine Segnungen und seinen Schutz schrittweise von ihnen ab. „Während der Regierungszeit Jehus fing der HERR an, das Gebiet Israels zu beschneiden: König Hasael von Syrien eroberte das ganze Gebiet östlich des Jordans, von der Stadt Aroer, die am Arnon liegt, bis hinauf zum Bergland Gilead und der Landschaft Baschan, das sind die Stammesgebiete von Gad, Ruben und Ost-Manasse“ (2. Könige 10,32).
Im 8. Jahrhundert v. Chr. warnten Gottes Propheten die Israeliten immer wieder, sie würden – genauso wie die anderen Reiche in der Region – einer neuen schlagkräftigen Militärmacht zum Opfer fallen. Bald darauf begann die Expansion von Assyrien Richtung Westen. Die Existenz des Königreiches Israel war bedroht.
In dieser Zeit des herannahenden Unheils entstanden viele prophetische Bücher des Alten Testaments. Gott sandte einen Propheten nach dem anderen, um die Völker Israel und Juda zu warnen und zur Reue zu bewegen. In wenigen Fällen wurden die Führer von Juda zur Einsicht bewegt. Sie führten Reformen ein, die eine Weile anhielten. Die Herrscher des Nordreiches dagegen bereuten niemals ihre heidnischen Praktiken, die Jerobeam eingeführt hatte.
Deshalb hörten die Bürger der zehn Stämme überhaupt nicht auf die Warnungen Gottes. Ständig wiederholten seine Propheten dieselben Grundthemen: Sie riefen zur umgehenden Reue auf; sie warnten vor einer mit Sicherheit erfolgenden Gefangenschaft Israels bei Nichtbeachtung der Warnungen. Darüber hinaus sprachen sie beständig von der Zukunft des Volkes Israel, insbesondere von einer Zeit, in der ihre Nachkommen durch den prophezeiten Messias errettet und als Volk wiedervereinigt werden sollten. (Zum Verständnis des grundlegenden Konzeptes biblischer Prophetie bestellen Sie bitte unsere kostenlose Broschüre Biblische Prophezeiung: Ein Blick in Ihre Zukunft?.)
Das Ende des Nordreichs
Kurz nach dem Tod von König Jerobeam II. (ca. 751 v. Chr.) stürzte das Nordreich in ein politisches Chaos. „Bürgerkrieg, Morde und interne Kämpfe zwischen den Gruppen, die für und wider die assyrische Politik stritten, beutelten das Nordreich ... der Tod von Jerobeam und Usia (Asarja) ... erfolgte gerade in dem Moment, als Assyrien wieder zur Weltmacht aufstieg und seinen Druck nach Westen verstärkte“ (Lawrence Boadt, Reading the Old Testament, 1984, Seite 312).
Inmitten ihrer hausgemachten internen Schwierigkeiten sahen sich die israelitischen Führer mit dem gewaltsamen Eindringen der Assyrer auf ihr Territorium konfrontiert. Während der Zeit des assyrischen Königs Tiglath-Pileser II. mußte der israelitische König Menahem einen enorm hohen Tribut zahlen – sozusagen ein nationales Schutzgeld –, damit der assyrische König Menahem und sein Volk unbehelligt ließ (2. Könige 15,19-20).
Wenige Jahre später rebellierte König Pekach (ca. 736-730 v. Chr.) gegen Assyrien. Kapitulation und Zahlung eines riesigen Lösegeldes zur Erhaltung seines Thrones waren die Folge (2. Könige 15,29). Pekachs Verhalten führte bei den Assyrern dazu, daß sie sein Königreich in einen Vasallenstaat verwandelten.
Länder, die ein zweites Mal gegen Assyrien rebellierten, verloren ihre politische Führung. Die Assyrer setzten einen Vasallenkönig ein, auf dessen Loyalität sie zählen konnten. Außerdem reduzierten sie das Territorium des Vasallenstaates, indem sie die annektierten Gebiete der Herrschaft des assyrischen Königs direkt unterstellten.
Im Falle einer zweiten Rebellion wurden auch bedeutende Teile der rebellierenden Bevölkerung in Gebiete verschleppt, wo sie Fremde unter Fremden waren, deren Sprache sie nicht verstanden (Jeremia 5,15) und deren Land und Kultur ihnen nicht vertraut waren. So hatten die Gefangenen nur noch geringe Chancen, sich gegen ihre assyrischen Herren aufzulehnen.
Tiglath-Pileser initiierte diese Schritte gegen das israelitische Nordreich als Antwort auf König Pekachs Allianz mit Damaskus, sein zweiter Versuch gegen Assyrien aufzubegehren (ca. 734 v. Chr.). So wurden bei der ersten Deportation von Israeliten (ca. 734-732 v. Chr.), die manchmal als die galiläische Gefangennahme bezeichnet wird, Teile der Stämme Naftali, Ruben, Gad und Manasse (von dem Teil, der östlich des Jordans wohnte) in Gebiete Nordsyriens und Nord- sowie NordwestMesopotamiens weggeführt (2. Könige 15,27-29; 1. Chronik 5,26).
Darüber hinaus besetzte Tiglath-Pileser auch den größten Teil von Galiläa und Gilead und teilte das Gebiet Israels in vier neue Provinzen auf: in Magidu, Duru, Gilead und Samaria.
Der letzte Schlag
Sollte ein Volk ein drittes Mal der assyrischen Herrschaft trotzen, dann war die offizielle assyrische Antwort unmißverständlich: Auslöschung der rebellierenden Nation. Die assyrische Armee war bereit, die gesamte Bevölkerung gewaltsam in die Gefangenschaft zu führen, die Deportierten über das ganze Reich zu verteilen und die entvölkerten Gebiete mit Menschen aus weit entfernten Regionen neu zu besiedeln. So hatten die einmal aus ihrer Heimat vertriebenen und weit verstreuten Aufrührer mit einem von Fremden besiedelten Vaterland wenig Möglichkeiten und eine geringe Motivation, jemals wieder gegen die assyrische Vorherrschaft zu rebellieren.
Diesen vorgegebenen Ablauf setzte ein proassyrischer, jedoch unzuverlässiger israelitischer Vasallenkönig, König Hoschea (ca. 731-722 v. Chr.) in Gang. Er führte damit die Vernichtung des nördlichen Königreiches herbei. Bei seinem Verrat gegen Assyrien um 724 v. Chr. baute er auf die unabdingbare Hilfe Ägyptens (2. Könige 18,9-10). Salmanassers Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Zahlreiche Angriffe (ca. 724-722 v. Chr.) endeten mit dem Fall Samarias, der Hauptstadt von Israel. Zu diesem Zeitpunkt hörte das Nordreich als politische Einheit auf zu existieren.
Zehn Jahre nach ihrem Sieg über das Haus Israel kehrten die Assyrier ins Gelobte Land zurück, um das Südreich Juda anzugreifen. Die assyrische Armee eroberte dabei praktisch alle befestigten Städte bis auf Jerusalem (2. Könige 18,9. 13-14). Das Land erholte sich ausreichend von diesem Schlag und existierte weitere 135 Jahre, bevor Jerusalem von babylonischen Armeen im Jahre 587 v. Chr. eingenommen und zerstört wurde.
Die Deportierten verschwinden aus dem Gesichtsfeld
Mit der Auslöschung des Nordreiches als politische Einheit wurde Israel zerstreut und dezimiert jenseits des Euphrat in den assyrischen Ostgebieten angesiedelt. Gott erfüllte seine Vorhersage, das „Haus Israel unter allen Heiden schütteln zu lassen“ (Amos 9,9). Jetzt sollten die Israeliten erfahren, wie es war, unter der Autorität jener Menschen zu leben, denen sie so oft gleich sein wollten.
Gott hatte sie gewarnt: „[Der HERR wird] euch unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum andern. Dort werdet ihr Götter verehren müssen, die euch und euren Vorfahren bis dahin fremd waren, Bilder aus Stein und Holz. Aber selbst dort werdet ihr keine Bleibe finden, sondern ruhelos umherirren; denn der HERR wird euch in Angst, Finsternis und Verzweiflung hineintreiben. Ihr werdet ständig um euer Leben zittern müssen und euch keinen Augenblick sicher fühlen, weder bei Nacht noch bei Tag“ (5. Mose 28,64-66; Gute Nachricht Bibel).
In jener Zeit verschwand Israel als Volk aus der Geschichtsschreibung. Die Israeliten hatten die religiösen Praktiken aufgegeben, die sie von anderen Völkern unterschieden, und damit begonnen, andere „Götter“ zu verehren. Unter anderem hatten sie den Sabbat aufgegeben, die Heilighaltung des siebten Tages der Woche. Gott hatte den Sabbat als „ein Zeichen zwischen mir und euch von Geschlecht zu Geschlecht“ bestimmt (Hesekiel 20,12. 20; vgl. 2. Mose 31,13. 16-17).
Einmal von ihren Eroberern aus ihrer Heimat vertrieben, waren sie ganz gewöhnliche Flüchtlinge,Teil der großen Anzahl entwurzelter Völker, die die Assyrer deportiert hatten. Die Israeliten besaßen nicht mehr die äußerlich sichtbaren Charakteristiken, durch die sie leicht von den anderen Völkern unterschieden werden konnten. Ihre sichtbaren Identifikationsmerkmale verschwanden sehr schnell. Doch innerhalb der Stämme Israels bewahrten sie über lange Zeit hinweg Fragmente ihrer Identität und Kultur.
Wie können wir die Israeliten wiederfinden? Dazu müssen wir einen Blick auf das Gebiet werfen, in das sie deportiert wurden. Trat dort ein Volk plötzlich in Erscheinung mit Eigenschaften, die eine Verbindung zu den Flüchtlingen aus dem israelitischen Nordreich ergeben könnte?
Was wir dabei entdecken, ist fast unglaublich. Von Gott geführt, gelangten die entwurzelten Israeliten in ein weit von ihrer Heimat gelegenes Gebiet, das die Propheten den Israeliten vorausgesagt hatten.