Daniels erstaunliche Prophezeiungen
Unter den jüdischen Gefangenen, die aus Juda nach Babylon verschleppt wurden, befand sich auch ein junger Mann, dessen hebräischer Name Daniel lautete und der von den Babyloniern in Beltschazar umbenannt wurde (Daniel 1,1-7). Daniel lebte zur Zeit des Niedergangs beider Reiche, Juda und Babylon. Er diente als hoher Regierungsbeamter zunächst in Babylon, aber auch später in dessen Nachfolgereich, dem medopersischen Imperium.
Daniels Buch prophezeit zum einen Ereignisse, die aus unserer heutigen Sicht bereits vor Jahrhunderten erfüllt wurden, und zum anderen entscheidende Ereignisse, die noch in der Zukunft liegen. Es wird eine Geschichte der nahöstlichen Region im Voraus aufgezeichnet, die von der Zeit Daniels bis hin zur Wiederkunft Jesu Christi reicht. Die Prophezeiungen Daniels bieten Belege für die Richtigkeit der Bibel. Viele seiner Prophezeiungen sind so detailliert und spezifisch, dass sie lange Zeit die Bibelkritiker in Erstaunen versetzten.
In der Tat haben einige Skeptiker deshalb nicht die Genauigkeit des Inhalts von Daniels Prophezeiungen angezweifelt. Statt zuzugeben, dass seine Worte in der Tat inspiriert waren, haben sie einfach das ganze Buch zur Fälschung erklärt. Sie behaupten, es wäre nicht von Daniel im 6. Jahrhundert v. Chr. verfasst worden – ein Zeitpunkt, der durch die in dem Buch beschriebenen Ereignisse belegt wird –, sondern von einem unbekannten Autor 160 v. Chr., lange nachdem bereits viele der in dem Buch prophezeiten Ereignisse stattgefunden haben.
Daniels Zeugnis stellt die Kritiker vor eine Herausforderung. Aber zuerst wollen wir uns die Vorgehensweise der Kritiker ansehen. Sie bezweifeln Daniels Urheberschaft des Buches, weil er in den frühen Kapiteln von sich selbst in der dritten Person spricht, so als würde er über jemand anderen schreiben. Das war je - doch, wie im Expositor’s Bible Commentary dargelegt wird, „übliche Praxis unter den Autoren von historischen Memoiren der Antike“ (1985, Band 7, Seite 4). Bei dem Bericht über seine Erlebnisse schreibt Daniel zudem auch einige Male in der ersten Person (Daniel 7,15; 8,15; 9,2; 10,2).
Auch die Identität von Daniels Kritikern ist bedeutsam. Der erste, der ihn als Autor in Frage stellte, war der griechische Gelehrte und Historiker Porphyrius, der von 233-304 n. Chr. lebte. Er wird von Historikern als Neoplatoniker bezeichnet, was bedeutet, dass er sich zu den Lehren des griechischen Philosophen Platon bekannte, nicht zu den Lehren der Bibel. „Porphyrius ist weit bekannt als leidenschaftlicher Gegner des Christentums und als Verfechter des Heidentums“ (Encyclopedia Britannica, 11. Ausgabe, Band 22, Seite 104, Stichwort „Porphyry“).
Da Porphyrius ein Gegner des Christentums war, steht seine Objektivität in Frage. Er hatte keine faktische Grundlage für seine Meinung, und seine Sichtweise steht dem Zeugnis Jesu Christi entgegen, der Daniel als Autor des Buches bezeichnete (Matthäus 24,15). Der Bibelgelehrte Hieronymus (340-420 n. Chr.) widerlegte Porphyrius’ Behauptungen. Danach nahm man Jahrhunderte lang Porphyrius’ Bemerkungen nicht ernst. „Er wurde von der christlichen Gelehrtenschaft mehr oder weniger lediglich als ein heidnischer Verleumder abgetan, der es zugelassen hatte, dass seine naturalistische Voreingenommenheit sein Urteils - vermögen trübte“ (Expositor’s, Seite 13).
Einige der heutigen Gelehrten mit liberalen Tendenzen haben dieses jahrhundertealte Argument wieder aus der Versenkung geholt. Der alttestamentliche Historiker Eugene Merrill schreibt, dass ihre Thesen auf haltlosen Beweisen beruhen. „[Daniels] Rhetorik und Sprachgebrauch passen vorzüglich ins sechste Jahrhundert [v. Chr.] . . . Nur auf höchst subjektiven und zirkulären Beweislinien basierend, wurden dem Mann und seinen Schriften die historische Authentizität abgesprochen“ (Kingdom of Priests, 1996, Seite 484).
Nebukadnezars bedeutsamer Traum
Die Genauigkeit von Daniels Prophezeiungen über in ferner Zukunft liegende Ereignisse ist spektakulär. Eine herausragende, von Daniel aufgezeichnete Prophezeiung ist seine Interpretation von Nebukadnezars Traum in Kapitel 2. Im zweiten Jahr seiner Herrschaft hatte der babylonische König einen beunruhigenden Traum, den keiner seiner Berater deuten konnte. Die babylonische Kultur legte viel Wert auf Träume und Nebukadnezar war davon überzeugt, dass dieser Traum von großer Bedeutung war (Daniel 2,1-3).
Sein Traum gibt uns „eine Offenbarung von Gottes Plan für die Zeitalter bis zum endgültigen Triumph Christi“ und „zeigt die im Voraus verordnete Abfolge der Weltmächte, die den Nahen Osten bis zum endgültigen Sieg des Messias in der Endzeit beherrschen sollen“ (Expositor’s, Seite 39 bzw. 46).
Daniel erklärte Nebukadnezar die Details seines Traumes: „Du, König, hattest einen Traum, und siehe, ein großes und hohes und hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen. Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton“ (Daniel 2,31-33).
Daniel erklärte Nebukadnezar, dass das babylonische Reich durch das goldene Haupt versinnbildlicht wird (Verse 37-38). Die silbernen, kupfernen und eisernen Bestandteile des Standbildes repräsentierten drei mächtige Reiche, die auf das machtvolle Babylon folgen sollten (Verse 39-40). Diese Interpretation ist eine erstaunliche Vorausschau der geschichtlichen Entwicklung. Nebukadnezars Traum und seine Interpretation durch Daniel ereigneten sich etwa 600 v. Chr. Das Bildnis stellt in symbolischer Form die Abfolge der großen Reiche dar, die die politische Szene der Region über Jahrhunderte hinweg dominierten.
„Das silberne Reich sollte Medo-Persien sein, das mit Kyros dem Großen seinen Anfang nahm, der Babylon im Jahre 539 eroberte . . . Dieses silberne Reich stellte über zwei Jahrhunderte lang die größte Macht im Nahen Osten dar“ (Expositor’s, Seite 47).
„Das bronzene [kupferne] Reich war das griechisch-mazedonische Reich, das von Alexander dem Großen errichtet wurde . . . Das bronzene [kupferne] Reich hatte eine Dauer von 260 oder 300 Jahren, bevor es von dem vierten Königreich abgelöst wurde“ (ebenda).
„Eisen steht für Härte und Rücksichtslosigkeit und beschreibt das Römische Reich, das unter der Herrschaft Trajans seine größte Ausdehnung erreichte“ (ebenda). Trajan regierte als Kaiser von 98-117 n. Chr. und das Römische Reich selbst herrschte viele Jahrhunderte lang.
Das vierte Reich wurde als mit zehn Zehen ausgestattet beschrieben. Die Füße und Zehen waren eine Mischung aus Eisen und Ton, wie Vers 41 beschreibt. „Vers 41 handelt von einer späteren Phase oder einem Auswuchs dieses vierten Reiches, was durch die Füße und Zehen symbolisiert wird, die aus Eisen und Ton bestehen. Eine zerbrechliche Basis für das gigantische Bildnis. Der Text deutet klar an, dass diese letzte Phase durch eine Art Föderation, statt durch ein mächtiges, einzelnes Reich gekennzeichnet sein wird“ (ebenda).
Ein weiterer Traum mit neuen Details
Weitere Aspekte dieser Abfolge von weltbeherrschenden Reichen wurden Daniel in einem späteren Traum offenbart. Dieses Mal wurden die vier Reiche durch vier Tiere versinnbildlicht: einen Löwen (das babylonische Reich), einen Bären (das medo-persische Reich), einen Panther (das griechisch-mazedonische Reich) und ein viertes Tier, das als „schrecklich“ und ungleich den anderen drei beschrieben wurde (Daniel 7,1-7).
Beachten Sie, was Vers 7 über diese vierte Kreatur sagt: „Danach sah ich in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, ein viertes Tier war furchtbar und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne Zähne [als Parallele zu den eisernen Beinen des früheren Traumes], fraß um sich und zermalmte, und was übrigblieb, zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch ganz anders als die vorigen Tiere und hatte zehn Hörner.“
Was bedeutet diese Beschreibung? Sie ist ebenso eine Bezugnahme auf die große Macht Roms, das alles zermalmte, was sich ihm in den Weg stellte. „So wird die überlegene Macht des römischen Kolosses . . . in der Symbolik dieses vierten schrecklichen Tieres betont“ (Expositor’s, Seite 87).
Vers 8 von Daniel 7 beschreibt die zehn Hörner näher: „Als ich aber auf die Hörner achtgab, siehe, da brach ein anderes kleines Horn zwischen ihnen hervor, vor dem drei der vorigen Hörner ausgerissen wurden.“ Der weitere Verlauf des Kapitels zeigt, dass sich dieses kleine Horn zu der Position eines internationalen, mächtigen religiösen Führers erhebt (Verse 24-25) und sogar einem falschen religiösen System vorstehen wird, das die wahren Anhänger Gottes verfolgen wird.
Daniel 7, Verse 9-14 bringt uns direkt zu der Zeit, in der Christus das Reich Gottes auf Erden errichten wird: „Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer [Jesus] mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt [Gottvater] war, und wurde vor ihn gebracht. Der [Gottvater] gab ihm [Jesus] Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende“ (Verse 13-14). So dauert dieses römische System durch seine periodischen Wiederbelebungen im Laufe der Geschichte bis in die Endzeit an, wenn Jesus Christus wiederkehren wird, um über die Erde zu regieren.
Auch Offenbarung 17 hilft uns, diese Endzeitmacht zu verstehen. In diesem Kapitel wird sie erneut als Tier dargestellt. Nun sehen wir aber, dass seine letzte Manifestation zehn „Könige“ – die Führer von Nationen oder Gruppen von Nationen – einschließen wird, die „für eine Stunde Macht empfangen“ werden, zusammen mit dem Herrscher dieser endzeitlichen Supermacht, einem Individuum, das die Bibel als „das Tier“ bezeichnet (Offenbarung 17,12-13). Diese letzte Wiederauferstehung des Römischen Reiches dauert bis zur Rückkehr Christi an, denn sie „werden gegen das Lamm kämpfen“ (Vers 14).
All dies stimmt mit Daniel 2, Vers 44 überein, wo offensichtlich angedeutet wird, dass das zweite Kommen Christi zu einer Zeit erfolgen wird, in der Überreste des vierten Tieres oder Reiches (des Römischen Reiches) noch existieren werden: „Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben.“
Der größere Teil der in den beiden Träumen offenbarten Prophezeiungen hat sich bereits er - füllt. Die Möglichkeit, dass irgendein Mensch diese Ereignisse von sich aus vorhersehen konnte, ist völlig jenseits aller Wahrscheinlichkeit. „Aber es gibt einen Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbart; und er lässt den König Nebukadnezar wissen, was am Ende der Tage geschehen wird“ (Daniel 2,28).
Daniels ausführlichste Prophezeiung
Daniel 11 enthält eine weitere außergewöhnliche Prophezeiung, die detaillierteste in der ganzen Bibel. Der chronologische Hintergrund wird in Daniel 10, Vers 1 als „im dritten Jahr des Königs Kyrus [Kyros] von Persien“ angegeben. Das dritte Jahr des Kyros liegt mehr als 500 Jahre vor der Geburt Jesu. Diese Prophezeiung sagt aber Ereignisse voraus, die fast sofort danach ihren Anfang nahmen und sich bis zur Wiederkehr Jesu erstrecken werden.
Einige Teile des Nachfolgenden sind kompliziert und erfordern genaue Aufmerksamkeit. Ein Vergleich der prophetischen Worte mit den historischen Aufzeichnungen verdeutlicht, was gemeint war. Statt dass wir hier den ge samten Bibeltext zitieren, schlagen wir vor, dass Sie die von uns genannten Verse in der Bi bel nachlesen und sich dabei bewusst machen, dass diese Details weit vor dem Stattfinden dieser Ereignisse vorhergesagt worden sind.
Die ersten 35 Verse von Daniel 11 vermitteln einen um Jahre im Voraus geschriebenen Bericht über die Intrigen zwischen zwei politischen Mächten – dem „König des Nordens“ und dem „König des Südens“. In der weltlichen Geschichtsschreibung wird der König des Südens oft unter dem Namen Ptolemäus aufgeführt. Die ptolemäische Dynastie re - gierte vom ägyptischen Alexandria aus. Der König des Nordens regierte von Antiochien in Syrien aus, unter dem Namen Seleukus oder Antiochus.
Daniel 11,2: Die „drei Könige“ sind Kambyses, der älteste Sohn des Kyros; der Magier Gaumata, der sich als jüngerer Sohn des Kyros ausgab (Kambyses hatte bei seinem Regierungsantritt seinen jüngeren Bruder ermordet); und Darius der Perser. „Der persische König, der Griechenland überfiel, war Xerxes, der von 485 bis 464 v. Chr. herrschte“ (Expositor’s, Seite 128).
Verse 3-4: „Der mächtige König, von dem hier gesprochen wird, ist Alexander [der Große]“ (Das Alte Testament erklärt und ausgelegt, Band 3, Seite 438). Zu Vers 4 schreibt The Expositor’s Bible Commentary: „Innerhalb einer Zeitspanne von sieben oder acht Jahren gelangen ihm die spektakulärsten militärischen Erfolge in der Menschheitsgeschichte. Doch danach lebte er nur noch vier Jahre … Im Jahre 323 erlag er einem Fieber“ (Seite 128).
Das Reich Alexanders wurde in „vier kleinere und schwächere Reiche geteilt“ (ebenda, Seite 129). Sein kleiner Sohn wurde im Jahre 310 ermordet. Sieben Jahre später fiel auch sein Onkel dem gleichen Schicksal zum Opfer. „Es waren also keine Blutsverwandten mehr vorhanden, die die Nachfolge Alexanders hätten antreten können“ (ebenda). Daher konnte sein Reich nicht „auf seine Nachkommen“ aufgeteilt werden (Daniel 11,4).
Die Generäle Alexanders führten um sein Erbe Krieg gegeneinander. In den verschiedenen Machtkämpfen schieden alle bis auf vier aus. Diese brachten jeweils einen Teil des griechisch-mazedonischen Reiches in ihre Gewalt. Es waren „Seleukus (über Syrien und Mesopotamien), Ptolemäus (über Ägypten), Lysimachus (über Thrazien und Teile von Kleinasien) und Kassander (über Griechenland und Mazedonien)“ (Das Alte Testament erklärt und ausgelegt, Band 3, Seite 438). Ptolemäus und Seleukus gelang es, ihre Macht und ihr Territorium auszubauen. Sie wurden König von Ägypten bzw. Syrien.
Die in den nächsten Versen beschriebenen Machenschaften haben mit diesen beiden Herrschern zu tun. Von Jerusalem aus betrachtet sind Seleukus und Ptolemäus der „König des Nordens“ bzw. „König des Südens“.
Vers 5: „Der König des Südens war Ptolemäus I.“ (Expositor’s, Seite 130). Der biblische Ausdruck „einer seiner Fürsten“ bezieht sich auf Seleukus, der ursprünglich unter Ptolemäus diente. Während der Intrigen, die auf Alexanders Tod folgten, konnte Seleukus Syrien in seine Gewalt bringen und sich als König des Nordens einsetzen. Im Laufe der Zeit wurde Seleukus mächtiger als Ptolemäus. Seine Nachkommen blieben bis 64 v. Chr. an der Macht.
Der „Laodike-Krieg“
Vers 6: Das Verhältnis zwischen dem König des Südens und dem König des Nordens war ständig von Spannungen und Feindseligkeit gekennzeichnet. Ptolemäus I. starb im Jahr 285 v. Chr. Die beiden Mächte versuchten 252 v. Chr. eine Annäherung durch einen Vertrag. Danach sollte Berenike, die Tochter des Ptolemäus II., den König des Nordens, Antiochus II., heiraten. Aber die erste Ehefrau des Antiochus II., Laodike, wollte sich an ihrem Mann rächen, weil er sie verstoßen hatte. Deshalb organisierte sie von ihrem Verbannungsort aus eine Verschwörung, die zur Ermordung Berenikes und ihres kleinen Sohnes führte. „Kurz darauf wurde der König selbst [Antiochus II.] vergiftet“ (ebenda).
Da ihr Sohn, Seleukus II., noch unmündig war, machte sich Laodike selbst zur Königin. Die Ankündigung, „sie wird preisgegeben werden“, bezieht sich auf die Beseitigung Berenikes auf Geheiß der Laodike. Einige Adlige, die Berenike als Königin unterstützt hatten, verloren ihre Stellung.
Verse 7-9: Die Vergeltung ließ nicht lange auf sich warten. Es kam zu militärischen Auseinandersetzungen, die als „Laodike-Krieg“ in die Geschichte eingegangen sind. Nachdem Laodike Berenike, die Tochter des Ptolemäus II., ums Leben gebracht hatte, lebte Ptolemäus II. nicht mehr lange. Ptolemäus III. setzte sich zum Ziel, den Tod seiner Schwester zu rächen. Er griff den König des Nordens an und nahm die syrische Hauptstadt Antiochien ein. Dabei gelangte er in den Besitz „der Götzenbilder und heiligen Schätze“, die Kambyses 524 v. Chr. von Ägypten gestohlen hatte (siehe Vers 8 und Expositor’s, Seite 131).
Im Jahr 240 v. Chr. schlossen Ptolemäus III. und Seleukus II. einen Frieden, der bis zum Tode des Ptolemäus 221 v. Chr. anhielt.
Verse 10-12: Nach dem Tod Seleukus II. griffen seine Söhne den König des Südens an. Einer dieser Söhne, Seleukus III., herrschte nur drei Jahre, unternahm militärisch wenig und starb an einer Vergiftung. Ein weiterer Sohn, nämlich Antiochus III. („der Große“), ist tatsächlich „wie eine Flut“ herangebraust (Vers 10) und hat Palästina erobert. Ptolemäus IV., der König des Südens, schlug zurück (Vers 11) und brachte der zahlenmäßig überlegenen Streitmacht des Antiochus III. in der Schlacht von Raphia eine Niederlage bei.
Nach seinem Sieg wandte sich Ptolemäus einem zügellosen Leben zu, ließ Zehntausende von Juden in Ägypten niedermetzeln (Vers 12) und schwächte damit seine Herrschaft.
Verse 13-16: Der Ausdruck „nach einigen Jahren“ in Vers 13 bezieht sich auf einen Angriff, den Antiochus III. vierzehn Jahre nach seiner Niederlage gegen den erst vierjährigen Ptolemäus V. führte (Ptolemäus IV. war im Jahre 203 v. Chr. gestorben). Wegen der ausschweifenden Lebensführung Ptolemäus IV. herrschte Unruhe in den ägyptischen Provinzen. Viele Bewohner des Landes, einschließlich vieler Juden, die mit dem König des Nordens sympathisierten, verbündeten sich mit Antiochus gegen den König des Südens. Der Aufstand wurde aber von dem ägyptischen General Skopos schnell niedergeschlagen (Vers 14).
Als Skopos im Winter des Jahres 201-200 v. Chr. einen Angriff des Antiochus abwehrte, versuchte es der König des Nordens mit einem weiteren Überfall, in dessen Verlauf er die Stadt Sidon („eine feste Stadt“) einnahm, in der Skopos sich ergab. Antiochus brachte das Heilige Land („das herrliche Land“, Vers 16) vollständig in seine Gewalt.
Vers 17: „Und er wird seinen Sinn darauf richten, dass er mit Macht sein ganzes König - reich bekomme, und sich mit ihm vertragen und wird ihm seine Tochter zur Frau geben, um ihn zu verderben. Aber es wird ihm nicht gelingen, und es wird nichts daraus werden.“
Nach seinem Sieg über Skopos wollte Antiochus Ägypten an sich reißen. Antiochus gab Ptolemäus V. seine Tochter Kleopatra zur Frau, weil er hoffte, sie werde ihren Mann und seine Vorhaben an ihn verraten. Doch Kleopatra durchkreuzte die Pläne ihres Vaters und hielt zu ihrem Gemahl.
Verse 18-19: Zornig wegen dieses Rückschlags überfiel Antiochus mehrere Inseln und Städte an der Mittelmeerküste. Die Angegriffenen baten Rom um Hilfe, die sie auch erhielten. Eine römische Streitmacht schlug Antiochus und nahm ihm einen Großteil seines Territoriums ab. Nach römischer Sitte wurden Geiseln nach Rom gebracht, darunter ein Sohn des Antiochus. Rom zahlte Antiochus seine Schmähungen gründlich heim (Vers 18).
Damals kehrte Antiochus erniedrigt zu seiner Festung Antiochien zurück. Da er nicht in der Lage war, den von Rom geforderten Tribut zu leisten, wollte er sich an einem heidnischen Tempel schadlos halten. Die örtliche Bevölkerung war darüber derart aufgebracht, dass sie ihm ein ruhmloses Ende bereiteten (Vers 19).
Vers 20: Seleukus IV., der andere Sohn des Antiochus, war nach dem apokryphen Buch 2. Makkabäer ebenfalls nicht fähig, den Tribut zu zahlen (3,7-40). (Die Bücher der Makkabäer gehören zu den sogenannten „Apokryphen“ und geben Aufschluss über die Ereignisse dieser Zeit.) Seleukus IV. sandte einen Juden namens Heliodor mit dem Auftrag nach Jerusalem, den Tempel zu plündern. Heliodor kam zwar in die heilige Stadt, muss te aber mit leeren Händen wieder abziehen. Später vergiftete Heliodor Seleukus. So wurde er „umgebracht …, aber weder öffentlich noch im Kampf“.
Antiochus Epiphanes
Daniel 11,21-35: In diesem Abschnitt geht es um den berüchtigten Antiochus Epiphanes, der eine Zeitlang als Geisel in Rom war. Antiochus, Bruder des Seleukus IV., versuchte „den Judaismus auszulöschen und die Juden zu hellenisieren. Darum verbot er ihnen die Befolgung ihrer religiösen Praktiken [wozu auch ihre Feste und die Beschneidung gehörten]“ (Das Alte Testament erklärt und ausgelegt, Band 3, Seite 441).
Die Grausamkeit von Antiochus Epiphanes kannte keine Grenzen. Auf seinen Befehl hin „wurde Eleasar, ein alter Schriftgelehrter, zu Tode gepeitscht, weil er sich weigerte, Schweinefleisch zu essen. Eine Mutter und ihre sieben Kinder waren nicht bereit, vor einem Bildnis anzubeten. Daher ließ er sie nacheinander vor seinen Augen abschlachten. Zwei andere Mütter, die ihre neugeborenen Söhne beschnitten hatten, ließ er durch die Stadt treiben und von der Mauer hinunterstoßen“ (Charles F. Pfeiffer, Between the Testaments, Baker Book House, Grand Rapids, 1974, Seite 81-82).
Vers 31: Dieser Vers ist ein Hinweis auf die Gräueltaten des 16. Dezember 168 v. Chr. An jenem Tag marschierte ein wütender Antiochus in Jerusalem ein und ließ 80 000 Männer, Frauen und Kinder abschlachten (2. Makkabäer 5,11-14). Dann entweihte er den Tempel, indem er dort dem heidnischen Gott Jupiter Olympus Opfer darbrachte. Für die Endzeit hat Jesus Christus Ähnliches prophezeit (Matthäus 24,15).
Verse 32-35: Hier lesen wir die Geschichte des unbeugsamen, mutigen Willens der Makkabäer, einer Priesterfamilie, die Antiochus und seinen Nachfolgern Widerstand leisteten. Der makkabäische Aufstand gegen den syrischen König wurde ausgelöst, als „Mattatias, der führende Priester der Stadt Modein … den Beamten erschlug, der im Auftrag des Antiochus für die Pflege des neuen Götzendienstes sorgen sollte, und mit einer Gruppe Freischärler ins Gebirge flüchtete“ (Expositor’s, Seite 141). Mattatias bekam Unterstützung von seinen fünf Söhnen, besonders von Judas, der den Beinamen Hammer erhielt. Viele der Patrioten starben bei diesem Unternehmen, doch ihre Heldentaten sorgten dennoch dafür, die Syrer aus dem Land zu vertreiben.
Aus einer anderen Sicht können sich diese Verse mit ihren Hinweisen auf große Werke, Verfolgung und Abfall vom Glauben sogar auf die neutestamentliche Kirche beziehen. An dieser Stelle ändert sich der Ton der Prophezeiung Daniels, und in Vers 35 wechselt der Blick auf „die Zeit des Endes“. „Mit dem Abschluss [des vorangegangenen Abschnitts] in Vers 35 hört das prophetische Material auf, das sich eindeutig auf die hellenistischen Reiche und den Kampf zwischen den Seleukiden und den jüdischen Patrioten bezieht. Obwohl manches sowohl auf Antiochus IV. als auch auf sein endzeitliches Abbild, ,das Tier‘, zutreffen könnte, erwähnt dieser neue Abschnitt (Verse 36-39) Eigenschaften, die man Antiochus kaum zuschreiben kann“ (Expositor’s, Seite 143).
Kritische und konservative Theologen „sind sich einig, dass das ganze elfte Kapitel bis zu diesem Punkt erstaunlich genaue Vorhersagen über größere Entwicklungen von der Regierungszeit des Kyros bis zum fehlgeschlagenen Versuch des Antiochus Epiphanes, den jüdischen Glauben zu vernichten, macht“ (ebenda).
Von diesem Zeitpunkt an sollte etwas mehr als ein Jahrhundert vergehen, bevor der römische General Pompejus Jerusalem einnahm. Ein großer Teil des Nahen Ostens ging in die Kontrolle des Römischen Reiches über, und ein großer Teil seiner Macht wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten an sein östliches Standbein, das Byzantinische Reich, übertragen. Aber dann trat, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, eine bemerkenswerte neue Macht und Religion auf die Weltbühne und beherrschte den Nahen Osten für Jahrhunderte – das Islamische Reich.