Wer tötete Jesus?
Vor 2000 Jahren wurde Jesus von Nazareth ermordet. Von dem Verrat durch den Kuss eines Vertrauten bis hin zu der Leugnung des Petrus in der Stunde der größten Not seines Herrn übersteigen die Bedeutung und die Wichtigkeit des Todes Jesu alle anderen Morde in der Menschheitsgeschichte.
Die Ungerechtigkeit der Verhaftung Jesu, der Anklage gegen ihn und seiner Hinrichtung ist gewaltig. Keiner war jemals so schuldlos wie Jesus. Er hatte seine Strafe wirklich nicht verdient, wie Petrus es uns bestätigt: „Er hat keine Sünde begangen und in seinem Mund war kein trügerisches Wort“ (1. Petrus 2,22; Einheitsübersetzung).
Jesus forderte seine Gegner heraus: „Wer von euch kann mir eine Sünde nachweisen?“ (Johannes 8,46; Einheitsübersetzung). Der römische Hauptmann, der Jesu Kreuzigung beaufsichtigte, war anschließend überzeugt, einen frommen Mann getötet zu haben (Lukas 23,47). Einer der beiden Diebe, die mit Jesus gekreuzigt wurden, erkannte, dass Jesus unschuldig war (Lukas 23,41).
Selbst Pilatus, der den Befehl für Jesu Kreuzigung erteilte, bezeugte vor den Juden zweimal, dass er keine Schuld an Jesus fand (Johannes 18,38; 19,4). Dennoch wurde die Hinrichtung ausgeführt und das Leben eines Unschuldigen nicht verschont.
Jesus war „heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden“ (Hebräer 7,26). Schließlich war er, wie der Hauptmann erkannte, der Sohn Gottes (Markus 15,39). Die Ungerechtigkeit des Todes Jesu macht diese nicht nur zum Verbrechen des Jahrhunderts oder des Jahrtausends, sondern der gesamten Menschheitsgeschichte.
Rechtfertigung für Völkermord
Die Details um den Mord an Jesus sind hinlänglich bekannt und mangeln nicht an Dramatik. Der spätere Versuch, die Schuld an seinem Tod bestimmten Menschen oder Völkern anzuhängen, offenbart die große Verderbtheit der menschlichen Natur. Meistens waren es die Juden, die als Schuldige ausgemacht wurden. In vergangenen Jahrhunderten wurden die Juden als die Mörder Jesu wiederholt verfolgt.
Selbst im 20. Jahrhundert bedienten sich die Nationalsozialisten Deutschlands dieser Rechtfertigung für ihre Judenpolitik. Die eifrigen Anhänger Adolf Hitlers, die den Lehren Jesu Christi keinerlei Respekt zollten, gaben den Juden in all ihren Generationen die Kollektivschuld für den Tod des Sohnes Gottes. Damit, so die Sichtweise jener Nazis, hätten die Juden die Verfolgung und ihr damit verbundenes Leiden verdient.
Die Vorstellung, dass nur die Juden den Tod Jesu zu verantworten hätten, lässt sich durch die Bibel nicht beweisen. Interessanterweise waren die Natio - nal sozialisten nicht die ersten, die diese Sichtweise vertraten. Jahrhundertelang hat das etablierte Christentum, zunächst römisch-katholischer Prägung und anschließend auch evangelischer, die Juden wegen ihrer angeblichen Schuld an dem Tod Jesu angeprangert.
Das Mordkomplott gegen Jesus
Schuldzuweisungen gegen andere stellen oft nichts anderes als den Versuch dar, eine eigene Schuld abzustreiten. Die Frage, die sich jeder Mensch stellen soll, lautet: Wer trägt wirklich die Schuld am Tod Jesu Christi?
Jesus hatte viele Feinde. Er forderte den Status quo und die Mächtigen seiner Zeit heraus. Manche hatten schon ihre Gründe dafür, ihn loswerden zu wollen. Zunächst war es nicht die breite Masse, die Jesus töten wollte, sondern die Hohepriester, Schriftgelehrten und Pharisäer. Unter ihnen waren diejenigen, die das Volk vor Pilatus manipulierten, den Tod Jesu zu fordern (Markus 15,11).
Die Menschen, die lauthals nach seinem Tod riefen, waren zum Teil dieselben, denen er gepredigt hatte, die seine Wunder gesehen hatten und die ihn bei seinem triumphalen Einzug nach Jerusalem den Sohn Davids nannten (Matthäus 21,9). Die Römer machten sich auch am Tod Jesu schuldig. Obwohl Pilatus wusste, dass Jesus unschuldig war, ließ er ihn hinrichten. Es waren römische Soldaten, die auf Jesus einschlugen, ihn geißelten, Nägel durch seine Hand - gelenke und Füße trieben und schließlich sein Kreuz aufrichteten.
Wer trägt wirklich die Schuld?
Wenige Wochen später nannte Petrus die Schuldigen am Tod Jesu: „Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels“ (Apostelgeschichte 4,27). Da bleibt niemand ausgeklammert!
Es ist einfach, die Schuld am Tod Jesu einer kleinen Gruppe einflussreicher Menschen zuzuweisen, die ihre eigene Stellung verteidigen wollten. Es ist genauso einfach, die Schuld einem ganzen Volk zuzuschreiben. Man kann auch argumentieren, dass der römische Staat impliziert war. So einfach ist das Ganze aber nicht. Es ist wohl wahr, dass Jesus in jeder Gesellschaft, deren Sünden und Heuchelei er angeprangert hätte, zum Ärgernis geworden wäre. Jesus hätte sich auch in anderen Zeiten der Gefahr der Ermordung ausgesetzt.
Das ist die unangenehme Wahrheit, die wir alle leugnen wollen. Jesu Jünger sagen klar, dass sich kein Mensch von der Schuld an Jesu Tod freisprechen kann. Wir alle waren daran beteiligt. Paulus war von seiner persönlichen Schuld überzeugt: „Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin“ (1. Timotheus 1,15).
Eine Welt in Unkenntnis
Der ehemalige Pharisäer Paulus beschrieb sich folgendermaßen: „. . . der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben“ (1. Timotheus 1,13). Genau das ist das Problem. In Bezug auf Jesu Opfer für Sünde sind wir alle unwissend gewesen. Paulus stellt fest: „Christus ist schon zu der Zeit, da wir noch schwach und gottlos waren, für uns gestorben“ (Römer 5,8; Einheitsübersetzung). Die Welt weiß einfach nicht, was sie tut.
Gott weiß es aber, und eines Tages werden es auch alle Menschen wissen. Das hat er von Anfang an vorgesehen. Jesus kam mit dem Wissen in die Welt, dass man ihn töten wird (Johannes 12,27). Jesus inspirierte die Propheten des Alten Testaments, seinen Tod nicht nur vorauszusagen, sondern ihn auch im Detail zu beschreiben. Darüber hinaus waren die rituellen Opfer, die Israel gegeben wurden, eine Vorausschau auf das vollkommene Opfer für Sünde, das kommen sollte.
Gegenüber seinen Jüngern sagte Jesus mehrere Male sein Leiden und seinen Tod voraus. Sie haben ihn aber nicht verstanden. Stattdessen scheinen sie daran geglaubt zu haben, dass er das Königtum in Israel bald wieder etablieren wollte. Paulus redete von „der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist“ und die „keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“ (1. Korinther 2,7-8).
Seinen Landsleuten sagte Petrus: „Nun, Brüder, ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt, ebenso wie eure Führer.“ Er fügte hinzu: „Gott aber hat auf diese Weise erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten im Voraus verkündigt hat: dass sein Messias leiden werde“ (Apostelgeschichte 3,17-18; Einheitsübersetzung).
Nicht unwissend bleiben
Gott will nicht, dass wir unwissend bleiben. Das Fazit ist klar: Jeder Mensch hat gesündigt, und Jesus ist für jeden Menschen gestorben. Das einzusehen ist gewiss nicht kompliziert. Wenn wir nicht gesündigt und Gottes Lebensweise nicht missachtet hätten, wären Jesu Leiden und Tod nicht notwendig gewesen. Davon kann sich kein Mensch freisprechen. Das ist die Botschaft von Petrus, Paulus und Johannes.
Vielleicht sagen wir uns, wenn wir von der Eifersucht und dem Hass lesen, den die jüdischen Führer auf Jesus hatten: „Das hätte ich nicht getan.“ Dabei irren wir uns aber. Gibt es wirklich einen Unterschied zwischen Eifersucht, Neid, Zorn und Hass gegenüber unseren Mitmenschen und der Misshandlung, die Jesus erfuhr? Jesus selbst sagte: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40. 45).
Sünde ist Sünde. Wäre Jesus nicht für uns gestorben, würde die Todesstrafe für Sünde auf uns warten. Was nützt es uns, anderen die Schuld für Jesu Tod anzulasten, wenn wir alle unseren Anteil daran hatten?
Es stellt sich auch die Frage, ob wir, wenn wir vor 2000 Jahren in Judäa gelebt hätten, wirklich anders gehandelt hätten. Judas, der anfangs Jesu treuer Jünger war, verriet ihn für dreißig Silberlinge. Petrus, der Jesus energisch verteidigte, leugnete seine Bekanntschaft mit Jesus, als Jesus verhört wurde. Alle anderen Jünger, die Jesus die Treue bis zum Tode versprochen hatten (Matthäus 26,35), verschwanden in der Nacht, als Jesus verhaftet wurde. Niemand stand ihm bei, als er zu Unrecht angeklagt wurde.
Pilatus wusste, dass Jesus unschuldig war. Um die Gunst der Juden besorgt, zahlte er einen unglaublich hohen Preis und willigte ein, einen Unschuldigen hinzurichten. Die religiöse Obrigkeit der Juden wollte nicht zulassen, dass ein Emporkömmling ihr System durcheinanderbrachte. Die Juden, die sich vor Pilatus versammelten, wurden zu einem unbeherrschten Pöbel.
Wir stellen nochmals die Frage: Wer tötete Jesus Christus? Wir alle töteten ihn, denn unsere Sünden sprechen uns schuldig. Unsere Erlösung vom Tod war jedoch Teil des göttlichen Willens, der Jesu Leiden und Opfer für unsere Sünden vorgesehen hat.
Gott gab „seinen eingeborenen Sohn“ (Johannes 3,16). „Doch es war der Wille des HERRN, ihn leiden zu lassen und zu vernichten. Wenn sein Leben jedoch als Opfer für die Sünde dargebracht wird, wird er viele Nachfolger haben“ (Jesaja 53,10; „Neues Leben“-Übersetzung).
Jesus sagte: „Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse . . . Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es . . . Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater“ (Johannes 10,17-18). Von Anfang an war dies Gottes Plan.