Die überraschenden Ursprünge der Trinität

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Die überraschenden Ursprünge der Trinität

Die meisten Menschen gehen davon aus – ob bewusst oder unbewusst –, dass alles, was mit dem Etikett „christlich“ versehen ist, von Jesus Christus und seinen Jüngern stammen muss. Das ist keineswegs der Fall. Wir erkennen beim Betrachten der Worte Jesu Christi und seiner Apostel, dass diese Meinung falsch ist.

Die historischen Aufzeichnungen belegen, wie diverse Irrlehrer mit ihren ketzerischen Ideen innerhalb der Frühkirche aufgetreten sind und die Kirche auch von außen unterwandert wurde – genauso wie Jesus und die Verfasser des Neuen Testaments es vorhergesagt haben. Christus selbst warnte seine Jünger: „Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und . . . viele verführen“ (Matthäus 24,4-5).

Sie können ähnliche Warnungen in anderen Bibelstellen lesen (Matthäus 24,11; Apostelgeschichte 20,29-30; 2. Korinther 11,13-15; 2. Timotheus 4,2-4; 2. Petrus 2,1-2; 1. Johannes 2,18-19. 26; 4,1-3).

Etwa zwei Jahrzehnte nach Christi Tod und Auferstehung schrieb der Apos - tel Paulus, dass viele Gläubige sich „abwenden [ließen] . . . zu einem andern Evangelium“ (Galater 1,6). Er schrieb ebenfalls, dass er gezwungen war, sich mit „falschen Aposteln“ bzw. „betrügerischen Arbeitern“ auseinander zusetzen, die sich „als Apostel Christi verstellten“ (2. Korinther 11,13).

Eines der größten Probleme, mit denen Paulus kämpfte, waren „falsche Brü- der“ (Vers 26). Wie wir in 3. Johannes 1, Verse 9-10 sehen, verschlechterten sich die Zustände am Ende des ersten Jahrhunderts so sehr, dass falsche Prediger sich offen weigerten, Repräsentanten des Apostels Johannes zu empfangen. Wahre Christen wurden aus der Kirche ausgeschlossen!

Der Historiker Edward Gibbon beschrieb diese beunruhigende Zeitspanne in seinem klassischen Werk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire als eine „dunkle Wolke, die über dem ersten Zeitalter der Kirche hängt“ (1821, Band 2, Seite 111).

Es dauerte nicht lange, bis die wahren Diener Gottes unter denen, die sich zu Christus bekannten, zu einer Minderheit wurden, die an den Rand gedrängt wurde und deshalb verstreut leben musste. Das Christentum wurde zunehmend durch Vorstellungen und Praktiken, die im alten Heidentum wurzelten, kompromittiert. Diese Vermischung von religiösen Überzeugungen, Synkretismus genannt und im Römischen Reich jener Zeit üblich, etab lierte sich im Chris tentum und verwandelte allmählich den Glauben, „der ein für alle Mal den Heiligen überliefert“ war (Judas 1,3).

Der Historiker Jesse Hurlbut sagt über diese Zeit der Transformation: „Wir nennen die letzte Generation des ersten Jahrhunderts von 68 bis 100 n. Chr. ,Das Zeitalter der Schatten‘, teilweise deshalb, weil die Trübsal der Verfolgung über der Kirche lag, aber mehr noch, weil von all den Epochen in der Kirchen - geschichte dies diejenige ist, über die wir am wenigsten wissen. Für diese Jahre haben wir nicht das klare Licht der Apostelgeschichte als Anleitung, und kein Autor aus jener Zeit hat die Lücken in der Geschichte geschlossen . . .

Fünfzig Jahre nach dem Leben des Paulus hängt ein Vorhang über der Kirche, den wir vergeblich zu durchschauen suchen. Wenn er sich am Ende (etwa 120 n. Chr.) durch die Schriften der frühesten Kirchenväter öffnet, finden wir eine Kirche vor, die sich in vielerlei Hinsicht von der Kirche zur Zeit des Petrus und Paulus deutlich unterscheidet“ (The Story of the Christian Church, 1970, Seite 33).

Diese „deutlich unterschiedliche“ Kirche sollte an Macht und Einfluss zunehmen. In wenigen Jahrhunderten dominierte sie selbst das mächtige Römische Reich!

Zur Zeit des zweiten Jahrhunderts waren treue Mitglieder der Kirche – Jesu Christi „kleine Herde“ (Lukas 12,32) – weitgehend durch Wellen tödlicher Verfolgung zerstreut worden. Sie hielten an der biblischen Wahrheit über Jesus Christus und Gott, den Vater, fest, obwohl sie von der römischen Obrigkeit und denjenigen, die sich als Christen ausgaben, verfolgt wurden. In Wahrheit beteten ihre Verfolger aber einen „andern Jesus“ an und lehrten ein „anderes Evangelium“ (2. Korinther 11,4; Galater 1,6-9).

Streitigkeiten hinsichtlich der Göttlichkeit Jesu Christi

Das waren die Umstände, unter denen die Doktrin von der Dreieinigkeit entstand. In diesen frühen Jahrzehnten nach Jesu Christi Tod und Auferstehung und im Laufe der nächsten Jahrhunderte gab es unterschiedliche Vorstellungen über seine Wesensart.

War er Mensch? War er Gott? War er Gott, der als Mensch in Erscheinung trat? War er eine Illusion? War er lediglich ein Mensch, der zu Gott wurde? War er von Gott, dem Vater, geschaffen worden oder hat er seit aller Ewigkeit zusammen mit dem Vater existiert? All diese Ideen hatten ihre Verfechter. Die Einheit des Glaubens der ursprünglichen Kirche ging verloren, als neue Glaubensauffassungen, die heidnischen Religionen entlehnt wurden, die wahren Lehren Jesu und seiner Apostel verdrängten.

Wir möchten hier ausdrücklich da rauf hinweisen, dass die wahre Kirche in diesen frühen Jahrhunderten an den intellektuellen und theologischen Debatten, die zur Ausformulierung der Drei einigkeitslehre führten, nicht beteiligt war. Sie war bereits vorher in den Untergrund gedrängt worden (vgl. dazu das Kapitel „Der Aufstieg eines anderen Christentums“ in unserer kostenlosen Broschüre Die Kirche Jesu Christi: Wahrheit und Fälschung, um einen Über blick über diese kritische Entwicklung zu erhalten).

Aus diesem Grund sehen wir in dieser stürmischen Zeitspanne oft Debatten nicht zwischen Wahrheit und Irrtum, sondern zwischen einem Irrtum und einem anderen Irrtum – eine Tatsache, die von modernen Gelehrten selten erkannt wird, aber für ein richtiges Verständnis entscheidend ist.

Ein klassisches Beispiel dafür war die Auseinandersetzung über die Natur Christi, die den römischen Kaiser Konstantin den Großen veranlasst hat, 325 n. Chr. das Konzil von Nizäa einzuberufen. Konstantin war, obwohl er von vielen als der erste „christliche“ römische Kaiser angesehen wird, in Wahrheit ein Sonnenanbeter, der erst auf seinem Sterbebett „getauft“ wurde.

Während seiner Herrschaft ließ er seinen ältesten Sohn und seine Frau ermorden. Er war auch ein vehementer Antisemit, der sich in einem seiner Erlasse über die „verachtenswerte jüdische Horde“ und „die Gebräuche dieser verruchtesten Menschen“ äußerte, Gebräuche, die in Wahrheit in der Bibel wurzelten und von Jesus und seinen Aposteln praktiziert wurden. 

Als Kaiser während einer Zeit großer Unruhen im Römischen Reich stand Konstantin vor der Herausforderung, die Einheit des Reiches zu erhalten. Er erkannte den Wert der Religion für die Vereinigung seines Reiches. Das war in Wirklichkeit eine seiner Hauptmotivationen für seine Akzeptanz und Sanktionierung der „christlichen“ Religion, die sich zu dem Zeitpunkt bereits weit von den Lehren Jesu Christi und der Apostel distanziert hatte und nur noch dem Namen nach christlich war.

Aber jetzt sah sich Konstantin mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Die Religionsforscherin Karen Armstrong erklärt in A History of God: „Eines der ersten Probleme, das gelöst werden musste, war die Doktrin über Gott . . . Eine neue Gefahr tauchte von innen her auf, die die Christen in sich bitterlich bekriegende Lager spaltete“ (1993, Seite 106).

Die Debatte über die Wesensart Gottes beim Konzil von Nizäa

325 n. Chr. berief Kaiser Konstantin das Konzil von Nizäa wegen der Einheit des Reiches sowohl aus politischen als auch religiösen Gründen ein. Damals wurde der wichtigste Streitpunkt als die arianische Kontroverse bekannt. „In der Hoffnung, die Unterstützung der wachsenden Zahl von Christen für seinen Thron zu erhalten, zeigte er sich ihnen gegenüber sehr entgegenkommend. Es war in seinem Interesse, die Kirche kraftvoll und vereint zu etablieren.

Die arianische Kontroverse bedrohte die Einheit der Kirche. Konstantin nahm es daher auf sich, dem Problem ein Ende zu bereiten. Ihm wurde mög - licherweise von dem am spanischen Hof einflussreichen Bischof Hosius vor - geschlagen, dass es vielleicht möglich wäre, die kirchliche Harmonie durch die Einberufung einer Synode wiederherzustellen. Diese Synode sollte die gesamte Kirche – sowohl den Osten als auch den Westen – repräsentieren.

Konstantin selbst wusste weder etwas über die Frage, über die gestritten wurde, noch interessierte er sich dafür. Aber er war begierig, die Kontroverse zu beenden, und der Rat des Hosius erschien ihm als vernünftig“ (Arthur Cushman McGiffert, A History of Christian Thought, 1954, Band 1, Seite 258).

Arius, ein Priester aus Alexandria in Ägypten, lehrte, dass Christus, weil er der Sohn Gottes war, einen Anfang gehabt haben musste und daher eine besondere Schöpfung Gottes war. Zudem musste der Vater notwendigerweise älter sein, da Jesus der Sohn war.

Ein Diakon aus Alexandria namens Athanasius wandte sich gegen die Lehren des Arius. Seine Sicht war eine frühe Form der Dreieinigkeitslehre, bei der der Vater, der Sohn und der heilige Geist eins waren und sich voneinander unterschieden.

Die Entscheidung, welche Sicht das Kirchenkonzil übernehmen würde, erfolgte zu einem Großteil willkürlich. Karen Armstrong erklärt in ihrem Buch A History of God: „Als sich die Bischöfe am 20. Mai 325 bei Nizäa versammelten, um die Krise zu bewältigen, hatten nur sehr wenige die Sicht des Athanasius über Christus. Die meisten vertraten eine Position, die sich in der Mitte zwischen Athanasius und Arius befand“ (Seite 110).

Als Kaiser befand sich Konstantin in der ungewöhnlichen Lage, über die Lehre der Kirche zu entscheiden, obwohl er selbst das Christentum nicht wirklich praktizierte. Wie bereits erwähnt, ließ er im darauffolgenden Jahr sowohl seine Frau als auch seinen Sohn ermorden.

Der Historiker Henry Chadwick bestätigt: „Konstantin, wie sein Vater zuvor, betete den unbesiegbaren Sonnengott an“ (The Early Church, 1993, Seite 122). Was die Bekehrung des Kaisers zum Christentum anbelangt, räumt Chadwick ein: „Seine Bekehrung sollte nicht als eine innerliche Erfahrung von Gnade interpretiert werden . . . Es war eine militärische Angelegenheit. Sein Verständnis der christlichen Doktrin war nie sehr klar“ (Seite 125).

Norbert Brox, Professor für frühkirchliche Geschichte, bestätigt, dass sich Konstantin nie wirklich zum Christentum bekehrte: „Konstantin hat keine Bekehrung erlebt; es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich sein Glaube verändert hätte. Er sagte nie über sich selbst, dass er sich einem anderen Gott zugewandt hatte . . . Zu der Zeit, als er sich dem Chris tentum zuwandte, bedeutete das eine Zuwendung zu Sol Invictus [dem unbesiegbaren Sonnengott]“ (A Concise History of the Early Church, 1996, Seite 48).

Die Encyclopaedia Britannica stellt in Bezug auf das Nizäische Konzil fest: „Konstantin selbst führte den Vorsitz, leitete die Diskussionen und schlug persönlich . . . für die Beziehung Christi zu Gott die entscheidende Formulierung vor, die in dem Glaubensbekenntnis des Konzils ihren Niederschlag fand . . . Eingeschüchtert von dem Kaiser haben die Bischöfe, mit nur zwei Ausnahmen, das Glaubensbekenntnis unterschrieben, viele von ihnen gegen ihre eigene Überzeugung“ (Stichwort „Constan tine“, 1971, Band 6, Seite 386).

Mit der Zustimmung des Kaisers lehnte das Konzil die Sicht der Minderheit um Arius ab. Da es als Ersatz nichts Konkretes gab, stimmten sie der Sicht des Athanasius zu – was ebenfalls die Sicht einer Minderheit war. Die Kirche befand sich danach in der seltsamen Position, von diesem Zeitpunkt an die Entscheidung, die bei Nizäa gefällt wurde, als Glaubenssatz offi ziell zu unterstützen, den jedoch nur eine Minderheit der Konzilsteilnehmer vertreten hatte.

Die Grundlage für die offizielle Anerkennung der Dreieinigkeitslehre war jetzt gelegt. Es hatte aber drei Jahrhunderte nach Jesu Christi Tod und Auferstehung gedauert, bis diese unbiblische Lehre in Erscheinung trat.

Nach dem Konzil von Nizäa reißt die Debatte nicht ab

Doch das Konzil von Nizäa war nicht das Ende der Auseinandersetzung. Karen Armstrong schreibt: „Athanasius war in der Lage, seine Theologie den Delegierten aufzudrängen . . ., während der Kaiser ihnen im Rücken saß. Die angeb liche Übereinkunft befriedigte Konstantin, der kein Verständnis von theologischen Angelegenheiten hatte. Doch in Wirklichkeit gab es keine Über ein - stimmung in Nizäa. Nach dem Konzil begannen die Bischöfe, das zu lehren, was sie immer gelehrt hatten. So hielt die arianische Krise weitere sechzig Jahre an. Arius und seine Anhänger leisteten Widerstand und konnten die kaiser liche Gunst erneut gewinnen. Athana sius wurde nicht weniger als fünfmal verbannt. Es war sehr schwierig, seine Glaubensüberzeugungen als bindend aufrecht - zuerhalten“ (Seite 110-111).

Die fortlaufenden Auseinandersetzungen waren zu bestimmten Zeiten gewalttätig und blutig. Über die Folge des Konzils von Nizäa schrieb der His - toriker Will Durant: „Wahrscheinlich wurden mehr Christen von anderen Chris ten in diesen zwei Jahren (342-343) niedergemetzelt, als durch alle Verfolgungen von Christen durch Heiden in der Geschichte Roms“ (The Story of Civilization, Band 4: „The Age of Faith“, 1950, Seite 8). Auf grauenvolle Weise haben viele Gläubige, die sich als Christen ausgaben, andere Christen aufgrund ihrer unterschied lichen Sicht von Gott bekämpft und getötet!

In Bezug auf die nachfolgenden Jahrzehnte schreibt der bereits zitierte Professor Harold Brown: „Während der mittleren Jahrzehnte dieses Jahrhunderts, von 340 bis 380, erscheint die Geschichte der Doktrin mehr wie eine Ge schichte von Intrigen am Hofe bzw. in der Kirche und von sozialen Unruhen . . . Die zentralen Lehren, die in diesem Zeitraum erlogen wurden, haben oft den Anschein, als wären sie eher durch Intrigen oder Pöbelgewalt durchgesetzt worden, als durch eine gemeinsame Übereinstimmung der Christenheit, geleitet vom heiligen Geist“ (Seite 119).

Die Meinungsverschiedenheiten konzentrierten sich bald auf eine andere Frage – auf das Wesen des heiligen Geistes. In dieser Hinsicht enthält die Erklärung, die beim Konzil von Nizäa verfasst wurde, lediglich die Formel: „Wir glauben an den heiligen Geist.“

„Das scheint dem Glaubensbekenntnis des Athanasius fast als Nachsatz hinzugefügt worden zu sein“, schreibt Karen Armstrong. „Die Menschen waren hinsichtlich des heiligen Geistes verwirrt. War er lediglich eine andere Bezeichnung für Gott oder war es etwas Weitergehendes?“ (Seite 115).

Die Debatte verlagert sich auf den heiligen Geist

Der ebenfalls bereits zitierte Professor Ryrie schreibt: „In der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts gaben drei Theologen aus der Provinz Kappadokien im östlichen Kleinasien [der heutigen Zentraltürkei] der Dreieinigkeitslehre konkrete Gestalt“ (Seite 65). Sie schlugen eine Sichtweise vor, die einen Schritt weiterging als die Überzeugung des Athana sius. Demnach seien Gott, der Vater, Jesus, der Sohn, und der heilige Geist gleichrangig und gemeinsam in einem Wesen, aber gleichzeitig auch voneinander verschieden.

Diese drei Männer – Basilius, Bischof von Cäsarea, sein Bruder Gregor, Bischof von Nyssa, und Gregor von Nazianz – waren alle „mit der griechischen Philosophie vertraut“ (Armstrong, Seite 113). Das hat ihre Betrachtungsweise und Glaubensvorstellungen zweifellos beeinflusst (vgl. dazu den Artikel auf Seite 14, „Der Einfluss der griechischen Philosophie auf die Dreieinigkeitslehre“).

Wie Karen Armstrong erläutert, war es ihre Sicht, dass „die Dreieinigkeit nur als mystische und geistliche Erfahrung einen Sinn ergab . . . Es war keine logische oder intellektuelle Ausformulierung, sondern ein imaginäres Paradigma, das den Verstand verwirrte. Gregor von Nazianz machte das deutlich, als er erklärte, die Betrachtung der ,Drei in Einem‘ würde eine tiefgründige und überwältigende Emotion hervorrufen, womit das Denken und die verstandesmäßige Klarheit durcheinandergebracht würden.

,Sobald ich den Einen erfasse, werde ich von der Herrlichkeit der Drei erleuchtet; sobald ich die Drei voneinander unterscheide, werde ich zu dem Einen zurückgeführt. Wenn ich an einen der Drei denke, sehe ich ihn als das Ganze und meine Sicht ist voll ausgefüllt und der größere Teil von dem, was ich denke, entgeht mir‘ “ (Seite 117). Es ist kein Wunder, dass Armstrong zu dem Schluss kommt: „Für viele westliche Christen . . . ist die Dreieinigkeit einfach nur rätselhaft“ (ebenda).

Im Jahr 381 n. Chr., 44 Jahre nach Konstantins Tod, berief Kaiser Theo - dosius der Große das Konzil von Konstantinopel (dem heutigen Istanbul in der Türkei) ein, um diese Auseinander setzungen zu klären. Gregor von Nazianz, der kurz zuvor zum Erzbischof von Kons tantinopel ernannt worden war, führte den Vorsitz über das Konzil und bestand auf der Annahme seiner Sicht des heiligen Geistes.

Der Historiker Charles Freeman schreibt: „Über die theologischen Debatten beim Konzil von 381 ist praktisch nichts bekannt. Aber Gregor hatte sicherlich die Hoffnung gehegt, dass seine Sicht, wonach der Geist wesensgleich [von der gleichen Substanz] mit dem Vater sei [was bedeutet, dass die Personen das gleiche Wesen sind, wäh rend der Begriff ,Substanz‘ individuelle Eigenschaften bedeutet], Akzeptanz finden würde.

Ob mit der Streitfrage ungeschickt umgegangen wurde oder ob es keine Chance für eine Übereinstimmung gab, die ,Mazedonier‘ – Bischöfe, die sich weigerten, die volle Göttlichkeit des heiligen Geistes zu akzeptieren – haben jedenfalls das Konzil verlassen . . . Wie es für ihn typisch war, hat Gregor sie dafür beschimpft, dass sie eine Mehrheit anstrebten, anstatt einfach nur das ,gött liche Wort‘ über die Dreieinigkeit aufgrund seiner Autorität zu akzeptieren“ (A.D. 381: Heretics, Pagans and the Dawn of the Monotheistic State, 2008, Seite 96).

Gregor erkrankte kurz darauf und musste sich von dem Konzil zurückziehen. Wer sollte jetzt den Vorsitz führen? „So kam es, dass Nectarios, ein betagter Senator der Stadt und ein populärer Präfekt, der die Spiele unterstützt hatte, der aber immer noch nicht getauft war, ausgewählt wurde . . . Nectarios schien sich in der Theologie überhaupt nicht auszukennen. Er muss te in den erforderlichen Glauben eingeführt werden, bevor er getauft und geweiht wurde“ (Freeman, Seite 97-98).

Bizarrerweise wurde ein Mann, der bis zu diesem Zeitpunkt kein Christ gewesen war, dazu ernannt, den Vorsitz über ein wichtiges Kirchenkonzil zu führen. Er wurde mit der Aufgabe betraut, darüber zu entscheiden, was das Konzil im Hinblick auf die Wesensart Gottes lehren würde.

Auf dem Konzil von Konstantinopel als offizielle Lehre bestätigt

Die Lehren der drei kappadokischen Theologen „ermöglichten es dem Konzil von Konstantinopel (381 n. Chr.), die Göttlichkeit des heiligen Geistes zu bestätigen, die zu dem Zeitpunkt nirgendwo klar dargelegt worden war, nicht einmal in der Bibel“ (The HarperCollins Encyclopedia of Catholicism, Stichwort „God“, Seite 568). 

Das Konzil nahm eine Erklärung an, die in ihrer Übersetzung wie folgt lautet: „Wir glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren. Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einzig - geborener aus dem Vater gezeugt ist vor aller Zeit . . . Und an den heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.“ Diese Erklärung bestätigte den Glauben an „eine heilige, katholische [was in diesem Sinn allgemein, umfassend oder vollständig bedeutet] und apostolische Kirche“.

Mit dieser Proklamation des Jahres 381 n. Chr., die später als das nizäischkonstantinopolische Glaubensbekenntnis bekannt wurde, wurde die Dreieinigkeitslehre, wie wir sie heute allgemein verstehen, zum offiziellen Glaubens - bekenntnis und zur Lehre im Hinblick auf die Wesensart Gottes.

Der Theologieprofessor Richard Hanson merkt an, dass die Entscheidung des Konzils zur Folge hatte, „die Bedeutung des Begriffs ,Gott‘ aus einer großen Auswahl von Alternativen auf eine einzige zu beschränken. Wenn der Mensch im Westen heute ,Gott‘ sagt“, so die Erklärung, „meint er damit ausschließlich den einen, einzigen [dreieinigen] Gott und sonst nichts“ (Studies in Christian Antiquity, 1985, Seite 243-244).

Daher war Kaiser Theodosius – der selbst nur ein Jahr zuvor getauft worden war, bevor er das Konzil einberief, wie es Konstantin nahezu sechs Jahrzehnte zuvor getan hatte –, entscheidend für die Festlegung wichtiger Kirchenlehren. Wie es der Historiker Charles Freeman formulierte: „Es ist wichtig zu verstehen, dass Theodosius selbst keinerlei theologischen Hintergrund hatte und eine Formulierung als Dogma bestimmte, die unlösbare philosophische Probleme enthielt, von denen er selbst keine Ahnung hatte. Im Grunde haben die kaiserlichen Gesetze die Debatte beendet, während sie weiterhin ungelöst blieb“ (Seite 103).

Abweichende Sichtweisen über Gott wurden verboten

Nachdem eine Entscheidung erreicht worden war, erlaubte Theodosius keine weiteren abweichenden Sichtweisen. Er ließ seinen eigenen Erlass verkünden, indem er verfügte: „Wir befehlen nun, dass alle Kirchen Bischöfen übergeben werden, die den Vater, den Sohn und den heiligen Geist als eine einzige Hoheit erklären, von gleicher Herrlichkeit und gleichem Glanz, und keine frevelhafte Aufteilung aufrechterhalten, sondern die die Ordnung der Dreieinigkeit [bestätigen], indem sie die Personen anerkennen und die Gottheit vereinen“ (zitiert von Richard Rubenstein, When Jesus Became God, 1999, Seite 223).

Ein weiterer Erlass von Theodosius ging in seiner Forderung bezüglich der Einhaltung der neuen Lehre noch weiter: „Lasst uns an die eine Gottheit des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geis tes glauben, in einer gleichrangigen Majestät und in einer heiligen Dreieinigkeit. Wir bevollmächtigen die Anhänger dieses Gesetzes, den Namen katholischer Christen anzunehmen. Was aber die anderen anbelangt: Da sie unserer Meinung nach törichte Wahnsinnige sind, verordnen wir, dass sie mit dem schändlichen Namen Ketzer gebrandmarkt werden und sich nicht anmaßen dürfen, ihre heimlichen Zusammen - künfte eine Kirche zu nennen.

Sie werden zuerst die Strafe der gött lichen Verdammnis erleben und zweitens die Strafe, welche unsere Vollmacht ihnen in Übereinstimmung mit dem himmlischen Willen auferlegt“ (zitiert in Documents of the Chris tian Church, Henry Bettenson, He rausgeber, 1967, Seite 22).

Wir sehen somit, wie eine Lehre, die Jesus Christus unbekannt war, von den Aposteln nie gelehrt und von den anderen Verfassern der Bibel nicht erwähnt wurde, festgeschrieben wurde und die wahre biblische Offenbarung über den Vater, den Sohn und den heiligen Geist verdrängte. Alle, die damit nicht über - einstimmten, wurden im Einklang mit den Erlassen des Kaisers und der Obrigkeiten der Kirche als Ketzer gebrandmarkt und entsprechend behandelt.

Durch Versuch und Irrtum bestimmt: die Dreieinigkeitslehre

Diese ungewöhnliche Folge von Ereignissen fassten die Theologieprofessoren Anthony und Richard Hanson in ihrem Buch Reasonable Belief: A Survey of the Christian Faith zusammen. Sie beschrieben, wie die Annahme der Dreieinigkeitslehre als Ergebnis „eines Prozesses der theologischen Erkundung erfolgte, der mindestens dreihundert Jahre andauerte . . . Eigentlich war es ein Prozess von Versuch und Irrtum (fast mit wech selndem Erfolg), in dem der Irrtum keineswegs nur auf das Unorthodoxe beschränkt war . . . Es wäre töricht zu behaupten, die Doktrin von der heiligen Drei einigkeit wäre auf einem anderen Wege zustande gekommen“ (1980, Seite 172).

Dann kommen sie zu dem Schluss: „Dies war ein langer, wirrer Vorgang, wobei unterschiedliche Denkschulen in der Kirche versuchten, die Antwort auf die Frage ,Wie göttlich ist Jesus Chris tus?‘ für sich selbst zu klären und dann anderen aufzudrängen . . . Wenn es jemals eine Kontroverse gab, die durch die Methode Versuch und Irrtum entschieden wurde, dann war es diese“ (Seite 175).

Der anglikanische Geistliche und Dozent an der Universität Oxford K. E. Kirk schreibt aufschlussreich über die Annahme der Doktrin der Dreieinigkeit: „Die theologische und philosophische Rechtfertigung der Göttlichkeit des Geis tes beginnt im vierten Jahrhundert. Wir wenden uns natürlich an die Autoren jenes Zeitraums, um herauszufinden, welche Gründe sie für ihren Glauben hatten. Zu unserer Überraschung werden wir genötigt zuzugeben, dass sie gar keine hatten . . .

Das Versagen der christlichen Theologie . . . beim Hervorbringen einer logischen Rechtfertigung des Kardinalpunkts in ihrer Dreieinigkeitslehre ist von größtmöglicher Bedeutung. Wir sind gezwungen – noch bevor wir uns der Frage der Bestätigung der Lehre in der Praxis zuwenden –, uns zu fragen, ob die Theologie oder die Philosophie jemals einen Grund dafür geliefert hat, warum ihr Glaube trinitarisch sein sollte“ („The Evolution of the Doctrine of the Trinity“, veröffentlicht in Essays on the Trinity and the Incarnation, A. E. J. Rawlinson, Herausgeber, 1928, Seite 221-222).

Warum eine Lehre glauben, die nicht biblisch ist?

Das ist, kurz gesagt, die erstaunliche Geschichte darüber, wie die Dreieinigkeitslehre eingeführt wurde und wie diejenigen, die sich weigerten, sie zu akzeptieren, als Ketzer oder Ungläubige gebrandmarkt wurden.

Die Doktrin wurde religiösen Konzilen aufgezwungen, bei denen Neulinge oder Ungläubige den Vorsitz führten. Sie wurde „durch die Methode Versuch und Irrtum“ festgelegt. Sollten wir unsere Sicht von Gott aber wirklich auf eine Doktrin gründen, die in der Bibel nicht beschrieben wird und erst drei Jahrhunderte nach der Zeit von Jesus Christus und den Aposteln offiziell eingeführt und über die jahrzehntelang debattiert und gestritten wurde (von den Jahrhunderten seither ganz zu schweigen)?

Natürlich nicht! Wir sollten uns stattdessen an das Wort Gottes halten – nicht an die Ideen von Menschen –, um zu sehen, wie unser Schöpfer sich selbst offenbart. „Prüfet aber alles und das Gute behaltet“ (1. Thessalonicher 5,21).