Gibt es Widersprüche und Fehler in der Bibel?
Gibt es Widersprüche und Fehler in der Bibel? Oft hängt die Antwort von der Sichtweise des Fragestellers ab. Nichts kann denjenigen überzeugen, der von vornherein die Bibel diskreditieren will. Wer die Bibel aufgeschlossen untersucht, wird hingegen zufriedenstellende Erklärungen finden können.
Der christliche Autor Josh McDowell schreibt, dass es ein Fehlschluss des Kritikers ist, anzunehmen, „dass alles, was bisher nicht erklärt werden konnte, auch in Zukunft verborgen bleiben muss. Wenn ein Wissenschaftler auf eine Anomalie in der Natur stößt, gibt er deswegen nicht alle weitere wissenschaftliche Untersuchung auf. Er benutzt vielmehr das Unverständliche als Motivation, um doch eine Erklärung zu finden . . .
Ähnlich sollte auch ein christlicher Theologe mit der gleichen Annahme herangehen, dass das, was bisher unerklärbar ist, deshalb nicht auch unerklärbar bleiben muss. Man geht nicht davon aus, dass Diskrepanzen Widersprüchlichkeiten sind. Und wenn man Dingen begegnet, für die man keine Erklärung hat, forscht man eben weiter in dem Glauben, eines Tages auf eine befriedigende Erklärung zu stoßen . . .
Bei vielen Schwierigkeiten, für die die Gelehrten einst keine Antworten hatten, haben anhaltende Bemühungen im Laufe der Zeit unter dem Einfluss von Geschichte, Archäologie, Linguistik und anderen Disziplinen einen Erfolg gebracht. Zum Beispiel haben Kritiker einst angenommen, dass Mose die ersten fünf Bücher der Bibel nicht geschrieben haben konnte, weil man zu seiner Zeit noch gar nicht schreiben konnte. Heute wissen wir, dass man schon einige Jahrtausende vor Mose des Schreibens kundig war.
So glaubten die Kritiker auch einst, der Bibel einen Irrtum beweisen zu können, wenn sie vom Volk der Hethiter sprach, da dieses den Historikern vollständig unbekannt war. Heute wissen die Historiker von seiner Existenz, da in der Türkei eine hethitische Biblio- thek gefunden wurde.
Das lässt uns darauf vertrauen, dass man auch für andere Schwierigkeiten im Hinblick auf die Bibel, die bis jetzt nicht erklärt werden können, eine Erklärung fi nden wird. Wir sind nicht gezwungen, davon auszugehen, dass die Bibel wirkliche Irrtümer enthält“ (Die Fakten des Glaubens, Hänssler Verlag, 2003, Seite 135-136).
Widersprüche in den Evangelien?
Ein gutes Beispiel dafür, wie man Texte vergleichen soll, die sich nicht widersprechen, sondern ergänzen, finden wir in den Worten, die Pontius Pilatus, der römische Statthalter, an das Kreuz Christi heften ließ.
Nach Matthäus 27, Vers 37 lautete die Aufschrift: „Dies ist Jesus, der Juden König.“
Nach Markus 15, Vers 26: „Der König der Juden“.
Nach Lukas 23, Vers 38: „Dies ist der Juden König.“
Nach Johannes 19, Vers 19: „Jesus von Nazareth, der König der Juden“.
Auf den ersten Blick hat es den Anschein, dass keiner der vier Evangelisten die Aufschrift richtig wiedergibt. Doch beim näheren Hinsehen merkt man, dass jeder eine wei- tere Information beisteuert. Von Johannes erfahren wir, dass die Aufschrift von Pilatus geschrieben wurde. Lukas liefert uns die Erklärung für die Abweichungen zwischen den hier gebotenen Versionen: Die Aufschrift wurde nämlich in drei Sprachen – Griechisch, Lateinisch und Hebräisch – geschrieben (Lu- kas 23,38; Elberfelder Bibel).
Die Unterschiede in den Versionen könnten auf die verschiedenen Sprachen zurückgehen und vielleicht auch durch die jeweilige Sicht der Evangelisten geprägt sein. Denn jeder der vier Evangelisten betonte andere Aspekte des Lebens Jesu. Wenn wir die vier Versionen der Kreuzaufschrift zusammenstellen, kommt der vollständige Text heraus: „Dies ist Jesus von Nazareth, der König der Juden.“
Die Evangelien widersprechen sich nicht, sondern sie ergänzen sich zu einem umfassenderen Bild. Einen guten Vergleich der Evangelien bieten sogenannte „Synopsen“. Als Beispiele sei die Synopse der drei ersten Evangelien mit Beifügung der Johannes-Parallelen von Josef Schmid genannt.
Andere scheinbare Widersprüche in der Bibel haben mit Zeitangaben zu tun. Wenn zwei Autoren unterschiedliche Angaben für dasselbe Ereignis machen, kann der scheinbare Widerspruch auf die unterschiedlichen Kalender zurückgeführt werden. In diesem Sinn weisen wir auf die zwei Kalender hin, die in Israel verwendet wurden. Das zivilrechtliche Jahr begann im Herbst mit dem Monat Tischri, während das heilige Jahr im Frühling mit dem Monat Abib (auch Nisan genannt) seinen Anfang nahm.
Ein anderes Beispiel ist Johannes 19, Vers 14, das Matthäus 27, Vers 45 zu widersprechen scheint. Johannes beschreibt eine Szene vor der Kreuzigung, die „um die sechste Stunde“ stattfand. Matthäus stimmt mit Markus 15, Vers 33 und Lukas 23, Vers 44 überein, indem er sagt, dass „Finsternis über das ganze Land“ nach der Kreuzigung kam, von der sechsten bis zur neunten Stunde. Widersprechen sich diese zwei Evangelien?
Nein. Das Heilige Land war damals römisches Hoheitsgebiet, und Johannes bezieht sich auf die römische Zeiteinteilung, die um Mitternacht begann. Die „sechste Stunde“ bei Johannes war daher 6.00 Uhr morgens. Nach der jüdischen Zeiteinteilung war es aber erst die erste Stunde. Für die Juden war die sechste Stunde 12.00 Uhr, die Mittagszeit.
Die Kreuzigung fand, nach jüdischer Zeiteinteilung, zwischen der sechsten und neunten Stunde statt. Es ist also wieder der Fall, dass sich die Evangelien ergänzen, anstatt sich zu widersprechen.
Antworten nicht sofort ersichtlich
Wie sieht es mit anderen Bibelstellen aus, die scheinbar widersprüchlich sind? Einige sind auf fehlerhafte Übersetzungen zurückzuführen, denn die verschiedenen Übersetzungen der Bibel sind nicht alle gleich genau. Wir sollen auf jeden Fall bei vermeintlichen Widersprüchen nicht sofort meinen, dass die Bibel fehlerhaft ist. Für fragliche Bibelabschnitte gibt es Antworten bzw. Lösungen, die nicht immer sofort ersichtlich sind. In diesem Sinne stellte Gleason Archer, Professor für biblische Sprachen an der Universität Maryland (USA), fest:
„Jedes Mal, wenn ich mich mit einem angeblichen Widerspruch innerhalb der Bibel oder zwischen der Bibel und der Linguistik, der Archäologie oder den Naturwissenschaften auseinandersetze, wird mein Zutrauen in die Zuverlässigkeit der Bibel bestätigt und verstärkt durch die Feststellung, dass fast jedes Problem, das der Mensch von der Antike bis heute in der Bibel ausgemacht hat, bisher in vollkommen befriedigender Weise vom biblischen Text selbst – oder von objektiver Archäologie – gelöst wurde. In der Heiligen Schrift selbst fi nden wir eine ausreichende Widerlegung für jede jemals aufgestellte Behauptung, dass die Bibel Fehler enthält“ (Encyclopedia of Bible Difficulties, Zondervan, Grand Rapids, 1982, Seite 12).
Die Bibel ist das Wort Gottes. Sie ist ein zuverlässiger Wegweiser, der uns „unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt“ (2. Timotheus 3,16-17).