Das Zerreißen des Tempelvorhangs
Matthäus hält mehrere Ereignisse fest, die bei Jesu Tod stattgefunden haben. Davon scheint eines auf den ersten Blick nicht sehr wichtig zu sein, doch es war ein Sinnbild von größter Bedeutung. Dazu lesen wir in Matthäus 27, Verse 50-51: „Aber Jesus schrie abermals laut und verschied. Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus.“ Warum war dieses Ereignis so wichtig, dass es neben Matthäus von zwei weiteren Evangelisten – Markus und Lukas – erwähnt wird?
Der Tempel war in zwei Räume aufgeteilt. Der vordere Teil war als das Heiligtum bekannt. Dort dienten die Priester. Der hintere Raum des Tempels wurde das Allerheiligste genannt. Er stellte die Gegenwart Gottes dar.
Er galt als so heilig, dass er nur einmal im Jahr von einer einzigen Person betreten werden durfte: „Und der HERR redete mit Mose . . . und sprach: Sage deinem Bruder Aaron, dass er nicht zu jeder Zeit in das Heiligtum gehe hinter den Vorhang vor den Gnadenthron, der auf der Lade ist, damit er nicht sterbe; denn ich erscheine in der Wolke über dem Gnadenthron“ (3. Mose 16,1-2). In diesem Raum brachte der Hohepriester am Versöhnungstag Opfer, um Versöhnung und Vergebung für seine Sünden und die Sünden des Volkes Israel zu erhalten.
Dieser Raum, das Allerheiligste, war vom vorderen Raum des Tempels durch einen Vorhang getrennt. Mit seinem far - bigen Muster war dieser Vorhang ein besonders schönes Stück. Jüdischen Beschreibungen des Tempels zufolge war der Vorhang in seinen Dimensionen gewaltig, mit einer geschätzten Breite von ca. 9 m und einer Höhe von ca. 18 m. Darüber hinaus war der Vorhang ca. 8 cm dick.
Das Zerreißen dieses Vorhangs im Augenblick des Todes Jesu, von oben nach unten, war ein schockierendes und verwunderliches Ereignis. Wie konnte Gott in seinem Tempel so etwas zulassen?
Gott ließ es nicht nur zu, er selbst ver- anlasste das Zerreißen des Vorhangs. Die Sünden der Menschen trennen sie von Gott: „Siehe, des HERRN Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte, und sei- ne Ohren sind nicht hart geworden, so dass er nicht hören könnte, sondern eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein An- gesicht vor euch, dass ihr nicht gehört wer- det“ (Jesaja 59,1-2).
Mit dem Tod Jesu konnten diese Sün- den vergeben werden. Im Gegensatz zum Hohepriester des Alten Testaments, der nur einmal im Jahr das Allerheiligste be- treten durfte, gibt es heute einen neuen Hohepriester, Jesus, der durch das Opfer seines eigenen Blutes das alttestament - liche Ritual am Versöhnungstag ein für allemal abgelöst hat. Durch ihn haben wir jetzt direkten Zugang zum Thron Gottes, wie wir in Hebräer 10, Verse 19-22 nach- lesen können:
„Weil wir denn nun, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns auf- getan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Op- fer seines Leibes, und haben einen Hohepriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Ge- wissen und gewaschen am Leib mit rei- nem Wasser.“
Wir haben es dem Opfer Jesu zu ver- danken, dass wir Zugang zu unserem himmlischen Vater haben können. Der Autor des Hebräerbriefs ermutigt uns, davon Gebrauch zu machen: „Weil wir denn einen großen Hohepriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durch- schritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis . . . Darum lasst uns hin zutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit emp fangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebräer 4,14. 16).