Der wachsende arabische Nationalismus
Eine der bedeutsamsten Entwicklungen im Nahen Osten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war ein zunehmender arabischer Nationalismus. Eine große Bedeutung hatte dann die Errichtung eines unabhängigen jüdischen Heimatlandes nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Geschichte des Nahen Ostens hätte einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn der Staat Israel nicht gegründet worden wäre. Es fiel den Arabern bereits schwer genug, die europäische Dominanz über Teile der arabischen Welt zu akzeptieren. Nun mussten sie auch noch hinnehmen, dass eine Kolonie „Ungläubiger“ aus dem Westen die Absicht hatte, permanent auf arabischem Gebiet zu leben.
Anfangs machten die Araber den Westen nicht für die Existenz Israels verantwortlich. In den frühen Tagen des jüdischen Staates spielten die kommunistischen Staaten Europas eine wichtige Rolle bei den Waffenlieferungen an Israel für den Kampf gegen die arabischen Armeen. Weil viele Israelis in kommunenartigen Einrichtungen mit gemeinsam verwalteten Landwirtschaften lebten, die kibuzz genannt wurden, meinten die europäischen Länder des Sowjetblocks, dass aus Israel eine Basis für sie im Nahen Osten werden könnte, in einer Region, die damals noch von den imperialen Mächten Europas dominiert wurde. Später setzten sich vor allem amerikanische Juden dafür ein, dass Amerika den Staat Israel, der gleichzeitig auch die einzige nach westlichem Vorbild ausgerichtete Demokratie des Nahen Ostens hat, unterstützte.
Frustriert über ihre Niederlage im Krieg von 1948, der die Zerstörung Israels bewirken sollte, und verärgert über die Korruption ihres prowestlichen Königs Faruk, stürzten ägyptische Armeeoffiziere 1952 die Monarchie und errichteten eine revolutionäre Republik in Ägypten, die anderen in der Region als Vorbild diente. Der Traum von der arabischen Einheit schien kurz vor der Verwirklichung zu stehen.
Die neue, radikale Führung von Gamal Abdel Nasser inspirierte die Ägypter und andere Araber, westlichen Einfluss radikal zu beschneiden. Nasser verstaatlichte den Suezkanal, der sich bis dahin im Besitz der Briten und Franzosen befand. Das führte zu einer gemeinsamen Militäraktion von Großbritannien, Frankreich und Israel, mit dem Ziel der Rückeroberung des Kanals und dem Sturz der radikalen arabischen Regierung, die westliche und israelische Interessen bedrohte. Aber die Eisenhower-Administration zwang ihre Alliierten zum Rückzug.
Nach Nassers Putsch in Ägypten war der Irak zum Sturz einer prowestlichen Monarchie an der Reihe. Man sollte bedenken, dass die Könige und andere Herrscher mit erblichem Machtanspruch in der arabischen Welt meistens im Westen – hauptsächlich in Großbritannien und den USA – ausgebildet werden. Sie neigen daher zu einer prowestlichen Einstellung. Noch bedeutsamer ist, dass sie oft einen westlichen Lebensstil pflegen, der ihre religiöseren Untertanen irritiert.
Bei ihrem Abzug 1932 hinterließen die Briten dem Irak eine konstitutionelle Monarchie mit einer gewählten Volksvertretung nach britischem Vorbild. Beide Institutionen überlebten den Abzug der Briten nicht lange. Das Militär, unter den Osmanen eine wichtige Einrichtung, übernahm 1958 die Macht in einem blutigen Staatsstreich, bei dem der haschemitische König Faisal und die meisten Mitglieder der königlichen Familie getötet wurden. Die konstitutionelle Regierungsform hatte in der arabischen Welt keinen Erfolg und nur geringen Erfolg anderswo unter Muslimen.
Am Ende stand die Diktatur Saddam Husseins. In vergleichbarer Weise wurde auch König Idris 1969 in Libyen entmachtet und durch den radikalen antiwestlichen Führer Oberst Muammar Ghadafi ersetzt. Nach dem Sturz der Monarchien wurden aus den Republiken, die die Monarchien ersetzten, Diktaturen. Syrien wurde sogar zu einer Erbfolgerepublik, in der der Sohn des bisherigen Präsidenten nach seinem Tod die Macht übernahm. Andere arabische Länder werden diesem Beispiel wahrscheinlich folgen.
1958 bildeten Ägypten, Syrien und Jemen mit dem Versuch, eine arabische Einheit herbeizuführen, die Vereinigten Arabischen Staaten. Das Unterfangen war aber erfolglos und der Zusammenschluss hielt nur bis 1961. Das Bestreben nach Vereinigung blieb aber weiter bestehen. Ein Grund für diesen beständigen Wunsch war die Vorstellung, Israel militärisch effektiver bekämpfen zu können.
Dem jüdischen Staat gelang 1967 ein bedeutender militärischer Sieg im Sechstage - krieg. Von arabischen Armeen provoziert, führte Israel einen schnellen Krieg, der zur Eroberung der Westbank führte (die 1948 von Jordanien annektiert worden war), sowie der Golanhöhen (früherer Besitz von Syrien) und des Gazastreifens (von Ägypten im Krieg von 1948 eingenommen). Zudem hatte der Staat Israel zum ersten Mal die Kontrolle über ganz Jerusalem inne.
Im längeren Oktoberkrieg von 1973 errangen die Armeen Israels nach anfänglichen Rückschlägen einen zähen Sieg. Dieser Krieg wird der Jom-Kippur-Krieg genannt, weil er mit einem multinationalen arabischen Angriff am Versöhnungstag begann, dem heiligsten Tag des Jahres für die Juden. Zwischen den Kriegen 1967 und 1973 liegen die Anfänge des palästinensischen Terrorismus. Nach dem Nahostkrieg von 1973 setzte die arabische Welt zum ersten Mal Öl als Druckmittel gegen den Westen ein. Der Ölpreis vervierfachte sich und erschütterte die Weltwirtschaft.
All diese Niederlagen bestärkten die Araber nur in der Überzeugung, dass sie eine Vereinigung anstreben sollten. Aber die Einheit blieb ihnen bisher verwehrt. Heute werden die meisten Länder im Nahen Osten entweder von konservativen muslimischen Monarchien regiert oder von radikalen und diktatorischen Nationalisten. Diese Regierungen haben alle eines gemeinsam: Sie regieren mit eiserner Faust.
In diesem Hexenkessel aus Nationalismus, Ablehnung des Westens, Hass auf Israel und Frustrationen unter der Bevölkerung über die eigene Regierung und Führung hat eine uralte Kraft wieder das Haupt erhoben, um Terrorismus und ernsthafte Besorgnis in das Herz des Westens zu tragen – der islamische Fundamentalismus.